Chroniken der Jägerin 3
ich wollte unbedingt Kuchen haben. Ihren selbstgebackenen Kuchen.«
Wieder schwieg er. Eine ganze Weile. »Du wusstest nicht, dass es geschehen würde. Und du hättest es auch nicht aufhalten können.«
»Einen Tag. Einen Tag mehr. Vielleicht zwei oder drei, oder eine ganze Woche. Alles wäre besser gewesen. Mehr Zeit.«
Grant schloss seine Hand um meine, sein Daumen streichelte mein Handgelenk. Warm. Stark. Unerschütterlich.
Und vertraut. Ich erinnerte mich, wie er meine Hand auch früher schon so gehalten hatte. Aber andere Erinnerungen waren weniger greifbar, so als lägen sie mir zwar auf der Zungenspitze, und doch in einem fernen Winkel meines Gedächtnisses. Ich hatte Angst davor, sie anzurühren, um sie nicht zu verscheuchen.
»Bist du verletzt?«, fragte ich ihn. »Hat dich einer von ihnen … ?«
»Nein«, unterbrach er mich. »Und du?«
Ich schloss die Augen. »Ich begreife nicht, was gerade passiert ist.«
»Du hast eine ganze Armee von Dämonen aufgehalten.«
»Ich habe mich fast selbst verloren.«
Du hast dich vielmehr gefunden , widersprach die Stimme.
Ich machte mich von Grant los, wollte aufstehen und loslaufen, aber dann musste ich innehalten. Mir wurde schwindlig. Ich stützte mich mit meinen Händen ab und versuchte, mich nicht zu übergeben. Meine Ellbogen zitterten. Grant legte seine Hand auf meinen Rücken.
»Es kann nicht sein, dass sie die Schlächter sind«, flüsterte ich. »Nicht meine Jungs. Nicht dieses… Etwas, das ich in mir trage.«
»Ist das denn so wichtig?«
Ich sah ihn fassungslos an. »Das fragst du noch?«
»Ich kenne ja die Jungs. Und ich kenne dich.«
»Du hast in mein Innerstes geblickt, da draußen. Ich habe gesehen, wie du mich angeschaut hast, Grant. Als wäre ich eine …«
»Fremde«, beendete er meinen Satz mit Grabesstimme.
Das Wort verletzte mich tief. Es bewirkte, dass ich mich klein fühlte. Ich wandte meinen Blick von ihm ab. »Gut. Das ist… gut. Du bist in meiner Nähe jedenfalls nicht mehr sicher.«
»Ich bin sicherer als du«, antwortete er unbewegt. »Was ich gesagt habe, war nicht gegen dich gerichtet, Maxine. Ebenso wenig war es eine Zurückweisung.«
Ich konnte ihn noch immer nicht anschauen. »Ich wollte mit ihnen ziehen. Ich wollte gewisse … Dinge tun.«
»Das warst nicht du.«
»Aber etwas fühlte sich ganz so an.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kenne dich, Maxine. Ich blicke in dich hinein. Die ganze Zeit, jeden Tag, wenn ich zuschaue, wie du schläfst, wenn du mit mir sprichst, wenn du einfach nur dasitzt und liest oder in den Himmel schaust und dich für unbeobachtet hältst. Ich sehe dich. Ich sehe, was in dir schläft. Und vorhin habe ich es nur noch deutlicher gesehen.«
Endlich konnte ich seinen Blick erwidern. »Und was hast du gesehen?«
»Dasselbe wie immer. Dich. Und vor allem Kraft.« Grant streckte die Hand aus und strich zärtlich mit dem Daumen über meinen Mund. »Einfach nur … Kraft. Du hast mir mal gesagt, die Jungs sind nur so gut wie die Frau, die sie führt. Nur so gut wie das, was hier drin ist.« Er deutete auf mein Herz. »Warum glaubst du, dass das jetzt anders wäre?«
»Es lebt. Es hat Hunger. Und es hat seinen eigenen Kopf. Es hat während des Kampfes von meinem Körper Besitz ergriffen. Es könnte mich auf Dauer überwältigen.«
»Aber nicht uns beide.« Grant lehnte sich an mich und blickte prüfend in meine Augen. »Ich bin zwar nichts Großartiges,
aber ich bin immerhin jemand. Du bist nicht allein, Maxine. Ganz gleich, was passiert.«
Ich wollte ihm sagen, dass er sich darin irre, aber in meinem Herzschlag gab es noch einen zweiten Puls, der sich von dem Licht nährte, das uns miteinander verband: jenem Licht, seinem Licht, das so tief in mir war wie die Finsternis, die in seinem Schein badete.
Niemals allein , sprach jener dunkle Geist. Wir sind eins. Wir zusammen, eins .
Ich holte tief Luft. »Ich kann es in meinem Kopf hören.«
»Dann sprich mit ihm«, antwortete Grant, so als wäre es gar nichts. »Vielleicht ist es ja falsch, was du zu wissen glaubst.«
»Falsch«, wiederholte ich ungläubig. »Grant, wenn wir einen Augenblick lang davon ausgehen, dass der Dämon recht hatte und die Jungs und das Ding in mir alle irgendwie ein Teil der Schlächterkönige sind …« Da verstummte ich und erschauderte. Mir war, als stiegen mir meine Eingeweide die Kehle hinauf.
»Maxine«, sagte er, »Falls sie, falls du …«
Ich hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen. Und musste
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