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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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älter sind als sie und an den Wiegen des neuen Lebens gesungen und davon gekostet haben.
    Wir kosten immer. Weil wir immer hungrig sind.
    Die Sterne hörten auf zu funkeln.
    Aber es gibt Dinge, die wir nie gewusst haben.
    Die Galaxien verschwanden.
    Und so blieben wir.
    Der Bauch des Wyrm löste sich auf.
    Lauschend, der anderen Seite des Lichts lauschend.
    Ich war schon gefallen, bevor die Stimme aufhörte zu sprechen,
und ihre Worte jagten mich, als ich durch die Finsternis stürzte. Ich konnte oben von unten nicht mehr unterscheiden, so sehr drehte ich mich, blind und nur mein klopfendes Herz im Ohr.
    Bis ich plötzlich ganz woanders war. Und nicht allein.
    Ich stand an der Spitze einer Armee, die so riesig war wie die Nacht, eine kochende, pulsierende Armee, erzitternd von Schreien und Gier. An meiner Seite waren Wölfe. Wölfe, die meinen Jungs ähnelten. Meinen lachenden, immer wachsamen, zu allem bereiten Jungs.
    Auf meinem Kopf trug ich eine Krone aus Dornen – und die Sterne über uns bluteten Licht.
    Ich trug keine Kleidung. Meine Haut war nur mit Blut bedeckt. Und wenn ich schrie und das Schwert hob, das ich in meiner Faust hielt, schrie meine Armee mit mir und folgte mir, wenn ich es befahl.

    Als ich erwachte, sah ich Sterne. Es war noch Nacht, und das Morgengrauen war noch fern, sonst hätte ich den Sonnenaufgang auf der Haut gespürt.
    Es roch nach Pizza, als ich ein Stofftier quietschen hörte. Ich suchte nach den Jungs und sah sie, weniger als eine Armeslänge entfernt, inmitten all ihrer Lieblingssachen, wie sie da auf Blättern saßen. Dek und Mal schnurrten in meine Ohren. Ich kraulte ihre Rücken und fragte mich, wie es in irgendeiner Realität möglich sein sollte, dass diese beiden eine ganze Armee anführten.
    »Schlagen wir hier ein Zeltlager auf?«, fragte ich. Meine Stimme klang etwas eingerostet.
    Rohw fuhr zusammen und hörte auf, geschmolzenen Käse
auf das Blatt einer Kettensäge tropfen zu lassen. Zee sagte: »Wir warten.«
    Dek und Mal hatten einen Schluckauf. Rohw sah Zee gespannt an und schob sich das Kettensägeblatt tief in den Rachen. Die Kaugeräusche, die er dabei machte, klangen wie das Kratzen von Fingernägeln auf einer Tafel. Aaz sah ich nicht.
    »Worauf wartet ihr?«, fragte ich.
    Rohw grunzte und tätschelte seinen Bauch. Ich streckte meine Arme nach ihm aus, und er kletterte auf meinen Schoß. Ich zog einen der Teddybären näher heran und legte ihn in seine Klauen. Er kaute an seinem Ohr. Die Säure in seinem Speichel brachte das Fell zum Qualmen. Ich rieb ihm den Bauch und fühlte, wie es darin rumorte. Käse und Kettensägen hatten noch nie zusammengepasst.
    »Zee«, wiederholte ich, »antworte mir.«
    Das brauchte er gar nicht. Denn Sekunden später fing die Narbe unter meinem Ohr zu pieksen an – wie tausend Nadeln.
    Ich kannte das Gefühl. Ich wusste, was es bedeutete, und vergaß zu atmen.
    »Maxine«, schnarrte Zee.
    Ich hörte ihn kaum. Mir brach der Schweiß aus. Dek und Mal wickelten sich fester um meinen Hals, während ihr Summen allmählich verstummte. Rohw rollte aus meinem Schoß, und Aaz kam aus dem Gebüsch gerannt und zog eine Radkappe hinter sich her. Er machte schliddernd eine Vollbremsung und presste die Scheibe so fest an seine Brust, dass sie wie feiner Tüll zerriss. Alle starrten in den Himmel.
    Ich reckte den Hals und erhaschte eine Bewegung, die schwärzer war als die Nacht, die die Sterne verschwinden ließ wie ein Komet, der das Licht vertilgte. Es war ein Dolch am Himmel.

    »Für dich«, sagte Zee. »Wir haben ihn gerufen.«
    Kalte Luft fegte über meinen Körper hinweg, als sich der Dolch in den Boden vor uns rammte.
    Die Erde brach, und Stein splitterte. Das war lauter als ein Schuss. Rohw hielt mich an den Schultern fest, um mir Halt zu geben. Zee tat es ihm gleich. Ich konnte sie kaum spüren. Ich hätte mich an ihn erinnern müssen, aber ich hatte ihn vergessen. Ich hatte das gewaltige Wesen, das da vor mir stand, vollkommen vergessen. Es türmte sich wie eine Säule aus schwarzen Flammen auf und zeigte eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Mann.
    Noch nie zuvor hatte ich seine Augen gesehen. Ein breitkrempiger Hut war tief über sein blasses Gesicht gezogen und entblößte nur einen scharfen Kiefer und einen dünnen Mund. Keine Arme. Es gab auch keinen Wind, aber lange schwarze Haare, die sich wild in alle Richtungen bewegten und deren Spitzen sich wie Schlangen ringelten. Seine Füße glichen Steakmessern, seine Hände waren

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