Chroniken der Schattenjäger 1 - Clockwork Angel
Flammen aufgegangen, zusammen mit den Resten deines guten Rufs.«
»Willst du damit sagen, dass von meinem guten Ruf noch etwas übrig ist?«, fragte Will in gespieltem Entsetzen. »Dann muss ich wirklich etwas falsch gemacht haben. Oder vielmehr nicht genug falsch gemacht haben.« Rasch hämmerte er mit der Faust gegen die Kutschwand. »Thomas! Wir müssen umgehend zum nächsten Freudenhaus aufbrechen! Ich brauche Skandale und schlechte Gesellschaft!«
Thomas schnaubte und murmelte etwas, das wie »Quatsch!« klang, von Will aber geflissentlich überhört wurde.
Gabriels Miene verdüsterte sich. »Gibt es eigentlich irgendetwas auf der Welt, das für dich kein Witz ist?«
»Im Moment fällt mir wirklich nichts ein.«
»Weißt du, es hat einmal eine Zeit gegeben«, setzte Gabriel an, »da dachte ich, wir könnten Freunde werden, Will.«
»Und es hat einmal eine Zeit gegeben, da dachte ich, ich sei ein Frettchen«, erwiderte Will ungerührt, »aber das hat sich im Nachhinein als Opiumwahn herausgestellt. Hast du von dieser Nebenwirkung gewusst? Mir war das nämlich neu.«
»Ich denke, du solltest dir einmal überlegen, ob Witze über Opium wirklich amüsant oder taktvoll sind, angesichts der ... der Situation deines Freundes Carstairs«, bemerkte Gabriel.
Will unterbrach seine Reinigungsbemühungen, hob arrogant eine Augenbraue und fragte in gleichgültigem Ton: »Du meinst seine Behinderung?«
Gabriel blinzelte verwirrt. »Was?«
»So hast du es doch genannt, vor ein paar Tagen im Institut. Seine ›Behinderung‹«, erwiderte Will spöttisch und warf den blutigen Lappen beiseite. »Und da wunderst du dich, wieso wir keine Freunde sind?«
»Ich frage mich lediglich, ob du vielleicht niemals genug bekommst«, erwiderte Gabriel mit gedämpfter Stimme.
»Genug wovon?«
»Genug von deinem eigenen Verhalten.«
Will verschränkte die Arme vor der Brust; seine Augen glitzerten gefährlich. »Ach, ich kann nie genug bekommen«, lächelte er. »Was zufälligerweise genau dasselbe ist, was deine Schwester zu mir sagte, als sie ...«
In dem Moment flog der Kutschschlag auf, eine Hand kam ruckartig zum Vorschein, packte Will von hinten am Hemdkragen und zerrte ihn ins Innere. Dann wurde die Tür mit einem Knall von innen zugeschlagen, Thomas schnappte sich die Zügel und einen Augenblick später schoss der Einspänner in die Nacht, sodass Gabriel ihnen nur wütend nachstarren konnte.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«, fragte Jem, nachdem er Will auf die gegenüberliegende Sitzbank verfrachtet hatte. Seine silbernen Augen glänzten im schwachen Licht des Kutscheninneren, während er den Kopf schüttelte und die Hände auf dem Spazierstock zwischen seinen Knien ruhen ließ. Dieser Spazierstock mit dem Drachenkopfknauf hatte einst Jems Vater gehört und war von einem Schattenjäger-Waffenschmied in Peking eigens für ihn angefertigt worden. »Gabriel Lightwood so zu reizen - warum tust du das? Was soll das bewirken?«
»Du hast doch gehört, was er gesagt hat ... über dich ...«
»Es kümmert mich nicht, was er über mich sagt. Schließlich ist es genau das, was alle anderen auch denken. Er hat es nur gewagt, es auszusprechen.« Jem beugte sich vor und legte sein Kinn auf seine Hände. »Du weißt doch, dass ich deinen mangelnden Selbsterhaltungstrieb nicht auf immer und ewig ausgleichen kann. Irgendwann wirst du lernen müssen, ohne mich auszukommen.«
Wie üblich ignorierte Will diese Bemerkung. »Gabriel Lightwood stellt wohl kaum eine Bedrohung dar.«
»Dann vergiss Gabriel. Gibt es einen besonderen Grund, warum du immer wieder Vampire beißt?«
Will berührte das getrocknete Blut an seinem Handgelenk und lächelte. »Das erwarten sie nicht.«
»Natürlich erwarten sie das nicht. Denn sie wissen, was geschieht, wenn einer von uns Vampirblut zu sich nimmt. Vermutlich erwarten sie eher, dass du mehr Verstand besitzt, als sie zu beißen.«
»Diese Erwartung hat ihnen bisher keine guten Dienste geleistet, oder?«
»Dir aber auch nicht.« Nachdenklich betrachtete Jem seinen Freund. Er war der einzige Mensch, der niemals mit Will die Geduld verlor. Ganz gleich, was Will ausheckte - mehr als milde Verzweiflung schien er bei Jem nicht hervorrufen zu können. »Was ist da drin vorgefallen? Wir haben im Garten auf das Signal gewartet ...«
»Henrys verflixter Phosphorisator hat nicht funktioniert. Statt einen starken Lichtblitz auszustrahlen, hat er die Vorhänge in Brand gesteckt.«
Jem unterdrückte ein
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