Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
ein Bad genommen und anschließend ihr gelbes Kleid übergestreift - das Kleid, das Jessamine ihr gekauft hatte. Tessa hatte gehofft, die leuchtende Farbe könnte vielleicht auch ihre Stimmung aufhellen, aber sie fühlte sich nach wie vor matt und müde.
Einen ähnlichen Ausdruck entdeckte sie auch auf Jems Gesicht, als sie kurz darauf den Salon betrat. Seine Augen waren überschattet und er wandte schnell den Blick ab, was Tessa schmerzte und Erinnerungen an die Nacht zuvor mit Will auf dem Balkon weckte. Aber das war etwas völlig anderes gewesen, versuchte sie sich zu beruhigen - das Ergebnis eines Hexenpulverrausches, ein Anfall von vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit. Nicht mit dem zu vergleichen, was zwischen Jem und ihr vorgefallen war.
»Ich glaube wirklich nicht, dass sie uns gehasst hat oder jetzt hasst«, wiederholte Jem nun. »Jessamine war schon immer voller Sehnsucht ... ganz verzweifelt auf der Suche.«
»Das ist alles meine Schuld«, sagte Charlotte leise. »Ich hätte nicht versuchen sollen, sie zur Schattenjägerin zu erziehen, wo sie diese Vorstellung doch so offensichtlich und von ganzem Herzen verabscheute.«
»Nein! Nein, das stimmt nicht!«, beeilte Henry sich, seiner Frau zu versichern. »Du bist immer nur gütig zu ihr gewesen. Hast alles in deiner Macht Stehende getan. Aber es gibt nun einmal bestimmte Mechanismen, die so ... so kaputt sind, dass man sie nicht mehr reparieren kann.«
»Jessamine ist keine Uhr, Henry«, erwiderte Charlotte, aber ihr Ton klang distanziert. Tessa fragte sich, ob sie Henry wohl noch immer verübelte, dass er sie nicht zu dem Gespräch mit Woolsey Scott begleitet hatte, oder ob sie einfach auf die ganze Welt böse war. »Vielleicht sollte ich ja das Institut hübsch verpacken und Benedict Lightwood als Geschenk überreichen. Dies ist nun schon das zweite Mal, dass wir einen Spion in unserem Haus hatten, von dessen Existenz wir nichts ahnten, bis erheblicher Schaden angerichtet war. Ganz offensichtlich bin ich unfähig.«
»In gewisser Hinsicht war es ja nur ein Spion«, setzte Henry an, verstummte dann aber, als Charlotte ihm einen Blick zuwarf, der Glas hätte schmelzen können.
»Wenn Benedict Lightwood für Mortmain arbeitet, kann ihm die Führung des Instituts nicht überantwortet werden«, sagte Tessa. »Genau genommen müsste der Ball, den er letzte Nacht gegeben hat, ausreichen, um ihn zu disqualifizieren.«
»Das Problem wird sein, es ihm nachzuweisen«, gab Jem zu bedenken. »Benedict wird alles abstreiten und sein Wort steht dann gegen deines - und du bist ein Schattenwesen ...«
»Will ist doch auch noch da«, warf Charlotte ein und runzelte dann die Stirn. »Da wir gerade von ihm sprechen: Wo steckt er eigentlich?«
»Liegt zweifellos noch im Bett«, meinte Jem. »Und was seine Glaubwürdigkeit als Zeuge betrifft, nun ja, die meisten halten Will ohnehin für verrückt ...«
»Ah«, erklang in diesem Moment eine Stimme an der Salontür, »veranstaltet ihr gerade euer jährliches Die-meisten-halten-Will-ohnehin-für-verrückt-Treffen?«
»Das findet halbjährlich statt«, erwiderte Jem gelassen. »Und ich kann dich beruhigen: Das hier ist eine andere Zusammenkunft.«
Wills Augen suchten quer durch den Raum Kontakt zu Tessa. »Wissen sie über Jessamine Bescheid?«
Er schien müde, jedoch nicht so erschöpft, wie Tessa angenommen hatte: Will war blass, strahlte aber eine Art unterdrückter Erregung aus, wodurch er fast ... glücklich schien. Tessa spürte, wie ihr Magen einen Satz machte, als die Erinnerungen an den Abend zuvor schlagartig zurückkehrten - die Sterne, der Balkon, die Küsse.
Wann war er letzte Nacht nach Hause gekommen?, fragte sie sich. Und auf welchem Wege? Und warum wirkte er so ... aufgeregt? War er entsetzt über das, was zwischen ihnen auf dem Balkon vorgefallen war, oder eher belustigt? Und - gütiger Gott - hatte er Jem davon erzählt? Hexenrauschgift, redete sie sich wieder und wieder ein: Sie war nicht sie selbst gewesen, hatte nicht aus freiem Willen gehandelt. Das musste Jem doch gewiss verstehen. Es würde ihr das Herz brechen, ihm wehzutun. Falls es ihn überhaupt interessierte ...
»Ja, sie wissen alle Bescheid«, versicherte Tessa hastig. »Jessamine wurde mithilfe des Engelsschwertes befragt und dann in die Stadt der Stille gebracht. Und wir besprechen gerade, was wir als Nächstes tun sollen, und das ist jetzt ganz entscheidend und Charlotte hat das Ganze schrecklich mitgenommen.«
Charlotte warf
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