Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
schnappen.«
»Jessamine würde diesem Vorhaben niemals zustimmen«, wandte Charlotte ein. »Nicht jetzt, nach allem ...«
Will bedachte sie mit einem finsteren Blick. »Also ich bitte dich - denk doch einmal nach. Natürlich würde Jessamine nicht zustimmen. Stattdessen werden wir Tessa bitten, noch einmal in ihre berühmte Rolle zu schlüpfen: Jessamine, die treulose Mademoiselle der Mode.«
»Das klingt gefährlich«, gab Jem zu bedenken. »Zumindest für Tessa.«
Rasch warf Tessa ihm einen Blick zu und konnte gerade noch sehen, wie er seine silberhellen Augen wieder von ihr abwandte. Das war das erste Mal, dass er sie seit jener Nacht in seinem Zimmer angesehen hatte. Bildete sie sich das ein, dass in seiner Stimme Besorgnis mitschwang, als er von der potenziellen Gefahr für sie sprach - oder war es einfach nur die Sorge, die Anteilnahme, die Jem für jedermann empfand? Wahrscheinlich handelte es sich bei seinem Wunsch, sie keinem schrecklichen Schicksal ausgesetzt zu sehen, um reine Freundlichkeit - und nicht um das, was sie sich von ihm erhoffte.
Was auch immer das sein mochte. Hauptsache er verachtete sie nicht ...
»Tessa ist furchtlos«, widersprach Will. »Und sie wird nur einer geringen Gefahr ausgesetzt. Wir werden Nate eine Nachricht schicken und ein Treffen mit ihm an einem Ort vereinbaren, wo wir ihn mühelos und sofort ergreifen können. Und die Brüder der Stille können ihn dann peinigen, bis er alle Informationen von sich gegeben hat, die wir brauchen.«
»Peinigen?«, hakte Jem nach. »Hier geht es um Tessas Bruder ...«
»Von mir aus, peinigt ihn«, verkündete Tessa. »Wenn das erforderlich ist, um Mortmain zu finden, gebe ich euch meine Erlaubnis.«
Schockiert schaute Charlotte sie an. »Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Du hast gesagt, es gäbe eine Möglichkeit, seinen Verstand nach Geheimnissen zu durchforsten«, erklärte Tessa. »Damals habe ich dich gebeten, es nicht zu tun, und du bist meiner Bitte nachgekommen. Dafür danke ich dir, aber ich werde dich nicht länger an dein Versprechen binden. Durchforstet Nates Verstand, wenn es sein muss. Für mich steht einfach mehr auf dem Spiel als für euch. Für euch dreht sich alles um das Institut und die Sicherheit der Schattenjäger - und natürlich interessieren mich diese Aspekte ebenfalls, Charlotte. Aber Nate ... arbeitet für Mortmain. Mortmain, der mich in seine Gewalt bringen und meine Fähigkeit nutzen will - für Zwecke, die wir immer noch nicht kennen. Mortmain, der möglicherweise weiß, was ich bin. Nate hat Jessamine erzählt, mein Vater sei ein Dämon gewesen und meine Mutter eine Schattenjägerin ...«
Ruckartig setzte Will sich auf. »Das ist unmöglich«, sagte er. »Schattenjäger und Dämonen ... können sich nicht fortpflanzen. Sie können keinen lebenden Nachwuchs hervorbringen.«
»Möglicherweise handelt es sich ja um eine Lüge - genau wie die Lüge über Mortmains angeblichen Aufenthalt in Idris«, räumte Tessa ein. »Aber das bedeutet nicht, dass Mortmain die Wahrheit nicht kennt. Ich muss herausfinden, wer ich bin - denn ich glaube, dass dieses Wissen die Lösung für die Frage ist, warum er mich unbedingt in die Finger bekommen will.«
Jem betrachtete sie mit einem traurigen Ausdruck in den Augen, ehe er rasch den Blick abwandte. »Also schön«, sagte er. »Will, was schlägst du vor, auf welchem Wege wir Nate zu einem Treffen locken sollen? Meinst du nicht, er kennt Jessamines Handschrift? Müssen wir nicht davon ausgehen, dass die beiden ein geheimes Zeichen verabredet haben?«
»Jessamine muss davon überzeugt werden, uns zu helfen«, verkündete Will.
»Jetzt schlage bitte nicht vor, dass wir sie peinigen sollen«, erwiderte Jem gereizt. »Das Engelsschwert ist bereits zum Einsatz gekommen. Sie hat uns alles erzählt, was sie weiß ...«
»Das Engelsschwert hat uns aber nicht ihren Treffpunkt oder irgendwelche Geheimzeichen oder Kosenamen verraten, die Nate und Jessamine möglicherweise nutzen«, entgegnete Will. »Verstehst du denn nicht? Das ist Jessamines letzte Chance. Ihre letzte Chance zur Kooperation ... um Milde beim Rat zu erwirken, um Pardon gewährt zu bekommen. Selbst wenn Charlotte die Leitung des Instituts behält, glaubst du ernsthaft, der Rat würde die Entscheidung über Jessamines Schicksal uns überlassen? Nein, diesen Beschluss werden der Konsul und der Inquisitor treffen. Und die beiden werden gewiss keine Nachsicht haben. Wenn Jessamine uns jetzt hilft, könnte das ihr
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