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Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince

Titel: Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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das nich’?« Der Blick des Werwolf schweifte in die Ferne. »Als er mir ... das Pulver zum ersten Mal gegeben hat ... da hab ich Dinge gesehen ... die könnt ihr euch nich’ vorstellen ... die große, gläserne Stadt ... die himmlischen Türme ...« Ein heftiger Hustenanfall schüttelte ihn und weiteres Blut quoll ihm aus dem Mundwinkel. Es schimmerte silbern, wie Quecksilber.
    Will tauschte einen raschen Blick mit Jem. Die gläserne Stadt. Er musste unwillkürlich an Alicante denken, obwohl er die Hauptstadt von Idris noch nie gesehen hatte.
    »Ich dachte ... ich würd ewig leben«, fuhr der Werwolf fort. »Ich konnte ... ganze Tage und Nächte durcharbeiten ... wurde nicht ein einziges Mal müde. Aber dann ... sind die ersten von uns gestorben ... einer nach dem anderen. Das Zeug bringt einen ... auf Dauer um ... aber davon hat er nie was gesagt. Ich bin hierher zurückgekommen ... weil ich dachte, dass hier ... vielleicht noch was von dem Stoff herumliegen würde ... Aber hier ist nichts mehr ... Und jetzt hat es keinen Zweck mehr ... noch woandershin zu gehen. Ich lieg eh im Sterben. Dann kann ich genauso gut ... auch hier abkratzen.«
    »Der Magister hat genau gewusst, was er tat, als er euch das Pulver gegeben hat. Er wusste, dass es euch umbringen würde«, sagte Jem. »Er verdient es nicht, dass du ihn deckst. Sag uns, womit er sich beschäftigt ... woran er euch Tag und Nacht hat arbeiten lassen.«
    »Wir haben ... diese Dinger zusammengebaut ... diese Metallmänner. Die jagen einem zwar ... ’nen eisigen Schauer über den Rücken ... aber die Bezahlung war gut ... und der Stoff noch viel besser ...«
    »Und welchen Nutzen bringt dir das viele Geld jetzt noch?!«, bemerkte Jem, dessen Stimme ungewöhnlich bitter klang. »Wie oft hat er euch das Zeug gegeben? Das silberne Pulver?«
    »Sechs, sieben Mal ... am Tag.«
    »Kein Wunder, dass die Vorräte in Whitechapel zur Neige gehen«, murmelte Will. »Mortmain kontrolliert sämtlichen Nachschub.«
    »Solche Mengen hättet ihr auf keinen Fall konsumieren dürfen«, wandte Jem sich an den Mann. »Je mehr man davon nimmt, desto schneller stirbt man.«
    Der Werwolf heftete seinen Blick auf Jem. Seine Augen waren blutunterlaufen. »Und du?«, keuchte er. »Wie lang ... hast du noch zu leben?«
    Will drehte den Kopf. Charlotte stand noch immer reglos auf der obersten Treppenstufe und starrte auf die Szenerie vor sich. Will hob eine Hand, um sie zu sich heranzuwinken. »Charlotte, wenn wir ihn nach unten in die Halle schaffen, können die Stillen Brüder ihm vielleicht helfen. Wenn du bitte ...«
    Doch zu Wills Überraschung wurde Charlotte plötzlich ganz grün im Gesicht. Hektisch schlug sie sich die Hand vor den Mund und stürmte die Treppe hinunter.
    »Charlotte!«, zischte Will; er wagte es nicht, ihr laut hinterherzurufen. »Oh, verflixt noch mal. Also gut, Jem: Wenn du seine Beine nimmst, kann ich ihn an den Schultern hochheben ...«
    »Spar dir die Mühe«, erwiderte Jem leise. »Er ist bereits tot.«
    Will drehte sich zu dem Werwolf um. Und tatsächlich: Seine weit aufgerissenen silbrigen Augen starrten glasig an die Decke und seine Brust hob und senkte sich nicht länger. Jem streckte die Hand aus, um seine Lider zu schließen, doch Will packte ihn am Handgelenk. »Nein. Nicht.«
    »Ich hatte nicht vor, ihm die letzte Ölung zu erteilen, Will. Ich wollte nur seine Augen schließen.«
    »Nicht mal das hat er verdient. Er hat für den Magister gearbeitet!« Wills verärgertes Wispern steigerte sich fast zu einem lauten Ruf.
    »Er war dasselbe, was ich bin«, erwiderte Jem schlicht. »Ein Drogensüchtiger.«
    Doch Will, der seinen Freund noch immer am Handgelenk hielt, warf ihm einen eindringlichen Blick zu. »Er war keineswegs das, was du bist. Und du wirst nicht auf diese Weise sterben.«
    Überrascht öffnete Jem die Lippen. »Will ...«
    In dem Moment hörten beide das Quietschen einer Türangel und dann rief eine Stimme Jessamines Namen. Sofort gab Will Jems Handgelenk frei. Beide Schattenjäger warfen sich flach auf den Boden und robbten sich zentimeterweise an die Kante der Empore heran, um einen Blick nach unten in die Lagerhalle zu werfen.

16
MENSCHENWUT
    Seh ’ ich zertrümmert von der Zeiten Hand
Die stolze Pracht aus längst vergangnen Tagen,
Den Turm geschleift, der einst so ragend stand,
Und ew’ges Erz von Menschenwut zerschlagen.
    SHAKESPEARE,
»SONETT 64«
[24]
    Es war eine äußerst interessante Erfahrung, sich als Mann verkleidet durch

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