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Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince

Titel: Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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... endlich hinter uns.«
    Bedächtig nahm Bruder Enoch einen Gegenstand von einem Tablett - eine gefährlich spitze Silberpinzette. Bei ihrem Anblick musste Will schlucken und dann begrub er den Kopf in den Armen, wobei seine schwarzen Haare einen starken Kontrast zum Weiß der Bettwäsche bildeten. Jem erschauderte, als würde er den Schmerz am eigenen Leib erfahren, als sich die Pinzette tief in Wills Rücken bohrte und sich dessen gesamter Körper aufzubäumen schien: Die Muskeln unter der Haut verkrampften sich und ein weiterer gedämpfter Schmerzensschrei drang aus den Kissen. Dann zog Bruder Enoch das Instrument zurück, einen blutverschmierten Metallsplitter zwischen den Greifbacken eingeklemmt.
    Jem schob seine Finger in Wills Faust. »Nimm meine Hand. Das hilft dir, den Schmerz zu ertragen. Halt durch - es sind nicht mehr viele.«
    »Du hast gut reden ...«, keuchte Will, doch der feste Griff seines Parabatai schien ihn tatsächlich etwas zu besänftigen. Als Bruder Enoch sich wieder an die Arbeit machte, bäumte Will sich erneut auf, seine Ellbogen gruben sich in die Matratze und sein Atem ging stoßweise.
    Tessa wusste, dass sie eigentlich den Blick abwenden sollte, aber sie schaffte es einfach nicht. Ihr fiel auf, dass sie nie zuvor so viel eines unbedeckten Männerkörpers gesehen hatte, nicht einmal in jener Nacht mit Jem. Fasziniert beobachtete sie, wie sich die schlanken Muskeln unter Wills glatter Haut bewegten, und ihre Augen schweiften von den kräftigen Oberarmen zu seiner harten, flachen Bauchmuskulatur, die sich mit jedem Atemzug hob und senkte.
    Die Pinzette blitzte ein weiteres Mal auf und Wills Finger schlossen sich umgehend um Jems Hand, bis bei beiden die Fingerknöchel weiß hervortraten. Blut quoll aus der Wunde und rann über seine nackte Flanke. Der junge Schattenjäger gab keinen Ton von sich, aber Jem wirkte leicht blass um die Nase. Er hob die andere Hand, als wollte er sie Will auf die Schulter legen, besann sich dann aber eines Besseren und biss sich auf die Lippe.
    Und das alles nur, weil Will mich mit seinem Körper beschützt hat, dachte Tessa. In der Tat eine ziemlich schwere Bürde, wie Bruder Enoch gesagt hatte.
    Sie ruhte auf dem schmalen Bett in ihrem alten Zimmer in New York. Durch das Fenster konnte sie den grauen Himmel und die Dächer Manhattans sehen. Auf dem Bett lag einer von Tante Harriets farbenfrohen Patchworkquilts, den sie hastig über sich zog, als die Tür geöffnet wurde und ihre Tante das Zimmer betrat.
    Mit ihrem neu erworbenen Wissen konnte Tessa die Ähnlichkeit nun deutlich erkennen: Tante Harriet hatte blaue Augen und leicht ergrautes blondes Haar; sogar die Gesichtsform entsprach exakt der von Nate. Lächelnd kam sie ans Bett, beugte sich über Tessa und legte ihr eine Hand auf die Stirn, angenehm kühl auf Tessas glühender Haut.
    »Es tut mir so leid«, wisperte Tessa. »Nates Tod. Es ist meine Schuld, dass er nicht mehr lebt.«
    »Seht«, beruhigte ihre Tante sie. »Das ist nicht deine Schuld. Er und ich, wir tragen beide die Schuld daran. Du musst wissen, Tessa, dass ich immer schreckliche Gewissensbisse gehabt habe. Ich war seine Mutter, aber nicht in der Lage, es ihm zu sagen. Deshalb habe ich ihm alles durchgehen lassen, ihm immer alles gegeben, was er wollte, bis er rettungslos verzogen war. Wenn ich ihm gesagt hätte, dass ich seine richtige Mutter bin, hätte er sich nicht so hintergangen gefühlt, als die Wahrheit ans Licht kam. Und er hätte sich nicht gegen uns gewandt. Lügen und Geheimnisse, Tessa, sind wie Krebsgeschwüre in der Seele. Sie zerfressen alles, was gut ist, und lassen nur Zerstörung zurück.«
    »Du fehlst mir so«, sagte Tessa. »Jetzt habe ich überhaupt keine Familie mehr ...«
    Tante Harriet beugte sich zu ihr hinab und küsste sie auf die Stirn. »Du hast mehr Familie, als du glaubst.«
    »Nun werden wir das Institut ganz gewiss verlieren«, sagte Charlotte. Allerdings klang sie dabei nicht untröstlich, sondern eher kühl und distanziert.
    Tessa schwebte wie ein Geist an der Decke der Krankenstation und schaute auf Charlotte hinab, die zusammen mit Jem am Fuß ihres Betts stand. Tessa konnte sich selbst sehen: die Augen geschlossen, die dunklen Haare wie ein Fächer über das Kissen gebreitet. Will lag ein paar Betten weiter, ebenfalls in tiefem Schlaf; sein nackter Rücken war mit Bandagen versehen und eine Iratze zeichnete sich schwarz von der hellen Haut im Nacken ab. Am Fenster stand Sophie, in ihrem schwarzen

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