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Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince

Titel: Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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ihn ein solcher Schauer immer an seine alte Heimat ... daran, wie der Landregen in Wales geschmeckt hatte, grün und frisch, und daran, wie er als Junge die feuchten Hügel hinuntergekullert war, über und über mit nassem Gras bedeckt. Wenn er die Augen schloss, konnte er noch immer die Stimmen seiner Schwestern hören, die ihn lachend tadelten: Will, du ruinierst dir noch die Kleidung; Will, Mutter wird sehr ungehalten sein ...
    Will fragte sich, ob man wohl jemals ein richtiger Londoner werden konnte, wenn man die Erinnerung an weite, offene Landschaften, an einen hohen, bis zum Horizont reichenden Himmel und an frische, klare Luft in sich trug - im Gegensatz zu diesen engen Gassen voller Menschen, dem Londoner Staub, der sich gnadenlos auf Kleidung, Haut und Haare legte, und dem Geruch des dreckigen Flusses.
    Inzwischen befand er sich in der Fleet Street. Durch den Nebel konnte er in der Ferne Temple Bar erkennen. Die Straße war schlammig und rutschig, und als eine Kutsche vorbeiratterte, deren Räder schmutziges Regenwasser gegen den Gehweg spritzten, tauchte Will in eine schmale Gasse zwischen zwei Gebäuden ein.
    Nun konnte er den Turm des Instituts ausmachen. Wahrscheinlich waren sie längst mit dem Abendessen fertig, überlegte Will, und alles stand wieder ordentlich verstaut und aufgeräumt an seinem Platz. Bridget lag bestimmt schon im Bett; das bedeutete, dass er sich in die Küche stehlen und sich aus Brot, Käse und kalter Pastete einen schnellen Mitternachtssnack zusammenstellen konnte. In letzter Zeit hatte er ziemlich viele Mahlzeiten versäumt, und wenn er ehrlich mit sich war, dann gab es dafür nur einen Grund: Er versuchte, Tessa aus dem Weg zu gehen.
    Dabei wollte er das eigentlich gar nicht - und tatsächlich hatte er am Vormittag insofern kläglich versagt, als dass er Tessa nicht nur zum Training begleitet hatte, sondern danach auch noch in den Salon. Manchmal fragte er sich, ob er dies alles vielleicht tat, um sich selbst auf die Probe zu stellen. Um zu überprüfen, ob seine Gefühle für sie vielleicht nachgelassen hatten. Doch das war nicht der Fall. Jedes Mal, wenn er sie sah, wollte er in ihrer Nähe sein; wenn er in ihrer Nähe war, sehnte er sich danach, sie zu berühren; und wenn er auch nur ihre Hand berührte, wollte er sie umarmen. Er wollte sie an sich drücken und sie so eng an seinem Körper spüren wie an jenem Tag auf dem Dachboden. Er wollte den Geschmack ihrer Haut und den Geruch ihrer Haare wahrnehmen. Er wollte sie zum Lachen bringen. Er wollte einfach nur dasitzen und ihr zuhören ... ihr zuhören, wie sie über Bücher redete, bis ihm die Ohren abfielen. Doch all diese Dinge durfte er sich nicht wünschen, weil er sie nicht haben konnte. Und sich etwas zu wünschen, was man nicht haben konnte, führte nur zu Trübsinn und Tollheit.
    Mittlerweile hatte er das Institut erreicht, dessen Tür unter seiner Berührung aufschwang und den Blick auf den Vorraum mit den flackernden Elbenlichtfackeln freigab. Unwillkürlich musste er an das dämmrige Licht in der Schattendrogenhöhle denken und an den Rausch des Dämonengifts - ein Zustand paradiesischer Erlösung: endlich einmal das Gefühl, nichts zu wollen und nichts zu brauchen. Er hatte geträumt, er läge auf einem Hügel in Wales unter einem hohen blauen Himmel. Und Tessa war zu ihm heraufspaziert und hatte sich neben ihm ins Gras gesetzt. Ich liebe dich, hatte er gesagt und sie geküsst, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Liebst du mich auch?
    Und Tessa hatte ihn angelächelt. Du wirst immer den wichtigsten Platz in meinem Herzen einnehmen, hatte sie erwidert.
    Sag mir, dass das kein Traum ist, hatte er gewispert, als sie die Arme um ihn schlang ... und dann hatte er nicht länger zwischen Wachen und Träumen unterscheiden können.
    Während er nun die Stufen hinaufstieg, streifte er den Mantel ab und schüttelte die nassen Haare aus. Kalte Tropfen sickerten ihm in den Hemdkragen, liefen seinen Rücken hinunter und ließen ihn schaudern. Das wertvolle Päckchen, das er von den Ifrit erworben hatte, steckte in seiner Hose. Rasch schob er die Hand in die Tasche und berührte es mit den Fingern, nur um sich zu vergewissern.
    Die Elbenlichtfackeln in den Fluren brannten ruhig und schenkten ein gedämpftes Licht. Will befand sich etwa in der Mitte des Korridors, als er abrupt innehielt. Dorthinten lag Tessas Zimmer, schräg gegenüber von Jems. Und dort, vor ihrer Tür, stand Jem - wobei das Wort »stand« nicht ganz

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