Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
wilden Schrei stürzte er
sich nach vorne und streckte die beiden Arme weit auseinander. Dabei klammerte
er sich mit der rechten Hand an Jeremys Trikot, und mit der linken hielt er
Anthonys T-Shirt fest. Nun drückte er mit aller Kraft gegen die beiden und hinderte
sie somit daran, in die Höhe zu springen oder die Spieler anzugreifen.
Elias
kannte den Spielzug und wusste, dass Aragon ihm Rückendeckung geben würde. Er
sprang mit einem Satz hoch und riss den Ball an sich. Keiner der gegnerischen
Spieler schaffte es, so hoch zu springen wie er, sodass die Ballgewalt für ihn
nun ein Leichtes war. Ohne Rücksicht auf die anderen rannte er los in der
Hoffnung, den Ausgleich zu erzielen. Hinter sich hörte er die wilden Schreie
und das Wutschnauben der beiden Schattenkrieger, denen es wohl nicht ohne
Weiteres möglich war, den Fängen seines Bruders zu entkommen.
Nummer
fünf heftete sich an seine Fersen und legte einen vorbildlichen Sprint an den
Tag. Nicht dass es Elias etwas ausmachte, von einem Gegner verfolgt zu werden,
doch er wollte ohne Hindernisse an sein Ziel gelangen. Er verkürzte seine
Schritte und verringerte den Abstand zwischen Nummer fünf und sich selbst.
Dieser witterte dagegen seine Chance und wurde durch den möglichen
bevorstehenden Sieg beflügelt. Nummer fünf raste auf Elias zu und versuchte,
ihn am Arm zu fassen zu bekommen, doch dieser wendete sich geschickt, streckte
seinen Fuß aus, und im nächsten Moment flog Nummer fünf enttäuscht und besiegt
in Richtung Boden.
Der
Weg zum Ziel war nun frei. Elias gab sich keine Mühe, schnell zu rennen, und
erreichte entspannt das Malfeld des Gegners. Als er den Ball auf das Gras
absetzte und sich wieder dem ringenden Haufen zuwandte, sah er erstaunt, dass
sein Bruder nur noch Jeremy in seinen Fängen hielt. Anthony dagegen stand etwa
zwei Meter vor der Malfeldlinie entfernt und atmete schwer. „Das war aber
knapp!“, dachte Elias bei sich, als er merkte, dass der Schattenkrieger sich
unbemerkt an seine Fersen gesetzt und ihn fast erreicht hätte. Das lautlose
Anschleichen war eine besondere Gabe seiner Rasse, und diese zu unterschätzen,
wäre Elias nun fast zum Verhängnis geworden. Doch seine Freude über den
Ausgleich überwog die Sorgen.
Elias
lächelte seinen Feind an und konnte den noch stärker auflodernden Hass in
seinen Augen sehen. Er warf den ovalen Ball Anthony zu und machte sich auf den
Weg zur Mittellinie. Aus der Ferne sah er, dass Aragon bis über beiden Ohren
strahlte und den Daumen nach oben streckte – als Zeichen, dass sich ihre
Taktik nun erneut bewiesen hatte.
Trainer
Joe war zufrieden mit dem Ergebnis und mit der Fähigkeit seiner Jungs. Auch der
Neuling machte einen positiven Eindruck auf ihn. Weshalb er sich für einen
Dichterkursus und nicht für die Rugbymannschaft entschieden hatte, blieb ihm
aber weiterhin ein Rätsel. Es stand unentschieden – ein guter Zwischenstand, um
ein Übungsspiel zu beenden. Er pfiff zweimal in seine Pfeife und ruderte
kreisförmig mit dem Arm, um den Spielern zu signalisieren, dass sie sich zu ihm
begeben sollten.
„Ein
Spiel mit viel Körpereinsatz. Das gefällt mir!“, verkündete Joe, als die ersten
Spieler bei ihm am Spielfeldrand eintrafen. „Geht es euch gut?“, fragte er die
Verletzten. Blutende Nasen und Platzwunden waren bei diesem Sport nichts
Ungewöhnliches. Es war ein Männersport, und man erwartete von den Spielern
auch, solche zu sein. Die drei Verletzten nickten brav mit dem Kopf und
versuchten, einen toughen Gesichtsausdruck zu zeigen. Weicheier konnte keiner
leiden.
Elias
und Aragon gesellten sich zum Rest der Mannschaft. Ihre Gesichter waren immer
noch angespannt von dem kleinen Kampf, den sie vorhin geführt hatten. Anthony
und Jeremy verließen als Letzte das Feld und kamen mit langsamen, fast lässigen
Schritten auf Joe zu. Auch sie waren von dem plötzlichen Spielabbruch nicht
begeistert. Ein Unentschieden war nicht nach ihrem Geschmack – sie wollten
die Lichter zermalmen und sie in die Schranken weisen. Es wäre nur ein kleiner
Vorgeschmack auf das gewesen, was sie noch erwartete.
„Ich
sehe den Kampfwillen in euch“, führte Trainer Joe seine Rede fort, „aber spart
euch die Kräfte für das nächste Turnier auf. Ich will einen weiteren Sieg
sehen.“ Die Spieler nickten. Den Worten des Trainers war nichts hinzuzufügen.
„Und
jetzt geht nach Hause und ruht euch für die Sankt-Lukas-Feier aus“, beendete
Joe seine Schlussrede und entließ die
Weitere Kostenlose Bücher