Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
anderen Brüder an. Keiner von ihnen konnte jedoch so viel Mut aufbringen, sich nach dem Grund für ihre Auseinandersetzung zu erkundigen. Sowohl die blonden als auch die dunklen Geschwister waren den anderen Mitspielern körperlich weit überlegen; mit einer dummen Frage zwischen die rivalisierende Fronten zu geraten, traute sich keiner.
Joe liebte den Klang seiner Pfeife, da sie jedes Mal den Beginn eines neuen Spielzuges verkündete. Aus voller Lunge blies er erneut hinein und ließ seinen Jungs freien Lauf. Freundschaftsspiele innerhalb der Mannschaft waren seiner langjährigen Trainererfahrung nach die beste Möglichkeit, sich auf ein anstehendes Turnier vorzubereiten.
Der Ball flog hoch und drehte sich, eine unsichtbare Ellipse formend, in der Luft. Mit raubtierähnlicher Schnelligkeit schoss Jeremy dem Ball hinterher und packte ihn mit seinen breiten Handflächen. Müde verzog sich das Leder unter der Kraft seiner Finger und knirschte leise. Es war ein Todesgriff, und Jeremy hatte nicht vor, seinen Erfolg mit jemandem zu teilen, schon gar nicht mit den Lichtern.
Er landete wieder auf dem Rasen, drückte seinen Fang mit der linken Hand an die Brust und ließ die Augen umherschweifen. Er wollte nach vorne sprinten und endlich den Ball ins Ziel bringen. Seine rechte Hand sollte ihm zum Schutz gegen die Angreifer dienen, die seinen Plan zu vereiteln versuchten.
Die menschliche Mauer stand, die Spieler verankerten sich ineinander und versuchten, den jeweiligen Gegner von sich zu stoßen. Eine fremde, mit feinen, hellen Härchen bedeckte Hand schnellte von der Seite und verfolgte die Absicht, das Ei an sich zu reißen. Es war Aragon, der sich im Nu aus den Fängen des ihm zugeteilten Gegenspielers gerissen hatte und sich nun seinem eigentlichen Feind zuwandte.
Jeremys Mundwinkel verzogen sich, als er die verhassten Züge des lieblich aussehenden Gesichts seines Feindes sah. Am liebsten hätte er die Sache sofort beendet, hier und jetzt. Er hätte am liebsten den Ball fallen lassen, den Lichter am Hals gepackt und ihm seine Finger tief ins weiche Fleisch gedrückt. Den blonden Kopf vom Hals zu trennen, hätte ihn in Ekstase versetzt. Schon lange, viel zu lange, musste er auf den Genuss verzichten, einen Lichter zu töten. Doch die Befehle seines Anführers sahen einen anderen Plan vor, und er musste die natürlichen Kampftriebe unterdrücken und sich auf das Spiel konzentrieren. Hundertneunundneunzig Lichter hatte er bereits von der Qual des Lebens erlöst. Obwohl er mit seinen fünfzig Jahren nicht der älteste Krieger seiner Rasse war, hatte er doch bereits einen angesehenen Kampfstatus vorzuweisen. Für den zweihundertsten Lichter war die Zeit wohl noch nicht gekommen, doch er war sich sicher, dass dieser lang ersehnte Augenblick nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Jeremy griff nach der fremden Hand und drückte sie nach unten. Dabei verdrehte er geschickt seine Finger, sodass ein enormer Druck auf die gegnerischen Knöchel ausgeübt wurde. Mit einem unterdrückten Schrei ging Aragon zu Boden, doch konnte er sich schnell von der überraschenden Abwehr erholen.
Jeremy dagegen verlor keine Zeit, suchte eine Lücke in der Mauer und schlich an den miteinander ringenden Körpern vorbei. Nun war der Weg zum Ziel frei und er musste nichts anderes tun, als erneut seine Sprintfähigkeit zur Schau zu stellen. Fast selbstsicher lief er los, ohne dabei Angst vor einem weiteren überraschenden Angriff zu verspüren. Doch die Rechnung hatte er ohne Aragon gemacht, denn dieser folgte ihm dicht auf den Fersen.
Wutschnaubend versuchte der blonde Spieler, Jeremy einzuholen. Dieser dagegen machte sich einen Spaß daraus, den Verfolger zur Weißglut zu treiben. Er blieb plötzlich stehen und drehte sich zu Aragon um, der mit jeder Sekunde und jedem Schritt seiner Rache näherkam. Dann rannte Jeremy wieder los, doch dieses Mal nicht geradeaus zum gegnerischen Malfeld, sondern zur Seite. Dabei änderte er ständig die Richtung. Mal lief er nach rechts, wendete plötzlich und lief auf die linke Außenseite des Feldes. Aragon sah dem wilden Treiben zu, und die Tatsache, dass Jeremy sich vor seiner Anwesenheit nicht fürchtete, ließ ihn wahnsinnig werden. Er stieß einen langen, lauten Wutschrei aus und versuchte, die nächste Richtungsänderung des Verrückten zu erahnen.
Plötzlich hörte Aragon fremde Schritte hinter seinem Rücken, gefolgt von schweren Atemzügen. Er drehte sich um und sah Nummer sechs und Nummer
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