Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
können.«
Ich wusste, dass es da war, dachte Clary. Ich hätte reagieren müssen. Obwohl ich keinen Pfeil und Bogen hatte wie Simon, hätte ich etwas dagegenwerfen oder Jace davon erzählen können. Sie kam sich dumm, nutzlos und unfähig vor, als hätte sie lauter Watte im Kopf. Tatsächlich war sie verängstigt gewesen – zu verängstigt, um einen klaren Gedanken zu fassen. Eine Woge der Scham durchflutete sie und brandete heiß gegen ihre geschlossenen Augenlider.
»Das war richtig gut«, mischte Jace sich ein.
Simon kniff die Augen leicht zusammen. »Falls es dir nichts ausmacht, beantworte mir eine Frage: Wo kam das Ding, der Dämon, her?«
»Es war Madame Dorothea«, sagte Clary. »Ich meine, irgendwie war sie es.«
»Die Gute war ja nie ein Supermodel, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie je dermaßen mies ausgesehen hätte.«
»Ich glaube, sie war besessen«, erwiderte Clary langsam, im Versuch, eine Erklärung für die Ereignisse zu finden. »Sie wollte, dass ich ihr den Kelch gebe. Und dann hat sie das Portal geöffnet …«
»Das war ziemlich clever«, meinte Jace. »Der Dämon ergriff von ihr Besitz und verbarg dann den Großteil seiner ätherischen Form kurz hinter dem Portal, wo ihn der Sensor nicht aufspüren konnte. Also gingen wir rein, erwarteten bestenfalls ein paar Forsaken und stießen stattdessen auf einen Dämonenfürst. Abbadon – einer der Alten. Der Herrscher des Abgrundes.«
»Sieht so aus, als müsste der Abgrund von jetzt an ohne ihn auskommen«, meinte Simon und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu.
»Abbadon ist nicht tot«, erklärte Isabelle. »Kaum jemandem ist es je gelungen, einen Dämonenfürsten zu töten. Man muss sie in ihrer irdischen und ihrer ätherischen Form töten, damit sie wirklich sterben. Wir haben ihn nur verjagt.«
»Ach so.« Simon wirkte enttäuscht. »Und was ist mit Madame Dorothea? Wird sie wieder in Ordnung kommen, jetzt wo …«
Er unterbrach sich, weil Alec zu husten begonnen hatte; bei jedem Atemzug kam ein Pfeifen aus seiner Brust. Jace fluchte leise, von tödlichem Ernst erfüllt. »Warum sind wir noch nicht da?«
»Wir sind gerade angekommen. Ich will nur nicht gegen die Wand knallen.« Während Simon den Bus vorsichtig an der Ecke ausrollen ließ, sah Clary, dass die Tür des Instituts offen stand und Hodge sie im Eingang erwartete.
Sobald der Wagen stand, sprang Jace hinaus und hob Alec so mühelos vom Rücksitz, als ob er ein kleines Kind auf den Arm nehmen würde. Isabelle folgte ihm den Weg zum Institut hinauf, den blutigen Klingenstab ihres Bruders in den Händen. Dann schlug die Tür des Instituts hinter ihnen zu.
Von einer Welle der Müdigkeit erfasst, schaute Clary Simon an. »Tut mir leid, aber ich hab keine Ahnung, wie wir Eric das ganze Blut erklären sollen.«
»Scheiß auf Eric«, sagte er mit Inbrunst. »Geht es dir gut?«
»Ich hab nicht mal ’nen Kratzer. Alle anderen wurden verletzt, nur ich hab nichts abbekommen.«
»Das ist ihre Aufgabe, Clary«, meinte Simon sanft. »Sie wurden dazu ausgebildet, Dämonen zu bekämpfen – du nicht.«
»Aber was ist dann meine Aufgabe, Simon?«, fragte sie und suchte in seinem Gesicht nach einer Antwort.
»Tja … du hast den Kelch gefunden«, sagte er. »Oder etwa nicht?«
Sie nickte und klopfte auf ihre Tasche. »Doch.«
Er wirkte erleichtert. »Ich habe mich beinahe nicht zu fragen getraut. Das ist doch gut, oder?«
»Und ob«, sagte sie. Sie musste an ihre Mutter denken und ihre Hand schloss sich um den Kelch. »Und ob es das ist.«
Church erwartete sie am Ende der Treppe, maunzend wie ein Nebelhorn, und führte sie zur Krankenstation. Durch die geöffneten Doppeltüren sah sie Alecs Körper reglos auf einem der weißen Betten liegen. Hodge stand über ihn gebeugt; neben ihm hielt Isabelle ein silbernes Tablett in den Händen.
Jace war nicht bei ihnen. Er lehnte vor der Krankenstation an der Wand, die blutigen Hände zu Fäusten geballt. Als Clary zu ihm trat, öffneten sich seine Lider ruckartig und sie sah, dass alles Gold aus seinen großen Pupillen verschwunden war; stattdessen wirkten sie nun tiefschwarz. »Wie geht es ihm?«, fragte sie, so sanft wie möglich.
»Er hat viel Blut verloren. Vergiftungen durch Dämonen sind nichts Ungewöhnliches, aber da es ein Dämonenfürst war, ist Hodge sich nicht sicher, ob seine üblichen Gegenmittel auch wirken werden.«
Sie streckte ihre Hand aus, um seinen Arm zu berühren. »Jace …«
Er
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