Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
angeritzt.«
»Hodge?«, fragte Clary. »Wann hast du ihn denn …?«
Schweigend sah er sie an. Plötzlich erinnerte sie sich an den Wolf in der Gasse, mit der einzelnen grauen Strähne in seinem schwarzen Fell, und daran, wie das Wurfgeschoss ihn in der Flanke getroffen hatte. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag.
»Du bist ein Werwolf.«
Luke nahm die Hand von seinem Hemd; seine Finger waren blutverschmiert. »Ja«, erwiderte er lakonisch, ging zu einer der Mauern und klopfte fest dagegen: einmal, zweimal, dreimal. Dann wandte er sich ihr wieder zu. »Ich bin ein Werwolf.«
»Du hast Hodge getötet«, sagte sie, als sie sich wieder an die Szene in der Gasse erinnerte.
»Nein.« Luke schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn schwer verletzt, aber als ich später zurückging, um den Leichnam zu beseitigen, war er verschwunden. Er muss sich irgendwie aus der Gasse geschleppt haben.«
»Du hast ihn in die Kehle gebissen. Das habe ich gesehen.«
»Ja. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass er dich gerade umbringen wollte. Hat er sonst noch jemanden verletzt?«
Clary biss sich auf die Lippe. Sie schmeckte Blut, doch es handelte sich um altes Blut, von der Verletzung, die Hugo ihr beigebracht hatte. »Jace«, stieß sie flüsternd hervor. »Hodge hat ihm irgendetwas verabreicht und dann … Valentin übergeben.«
»Valentin?« Luke blickte erstaunt auf. »Ich wusste, dass Hodge Valentin den Kelch der Engel gegeben hat, aber mir war nicht klar …«
»Woher weißt du das?«, unterbrach Clary ihn, doch dann fiel es ihr wieder ein. »Du hast mich mit Hodge in der Gasse reden hören. Ehe du ihn angefallen hast.«
»Ich habe ihn angefallen , wenn du es so nennen willst, weil er im Begriff war, dir den Kopf abzutrennen«, entgegnete Luke und drehte sich um, als die Zellentür erneut aufging. Ein großer Mann kam herein, gefolgt von einer winzigen Frau, die so klein war, dass sie fast wie ein Kind wirkte. Beide trugen schlichte Freizeitkleidung: Jeans und Baumwollhemden. Und beide besaßen die gleichen wirren Haare – auch wenn die Frau blond war und der Mann grau meliert – und die gleichen alterslosen Gesichter, ohne jede Falte, aber mit müden Augen. »Clary«, sagte Luke, »darf ich dir Nummer Eins und Nummer Zwei vorstellen: Gretel und Alaric.«
Alaric senkte seinen massiven Kopf und nickte Clary zu. »Wir sind uns schon mal begegnet.«
Clary starrte ihn beunruhigt an. »Tatsächlich?«
»Ja, im Hotel Dumort«, erklärte er. »Du hast mir einen Dolch zwischen die Rippen gejagt.«
Sie kauerte sich an die Wand. »Ich, äh … es tut mir leid …«
»Das muss es nicht. Schließlich war es ein exzellenter Wurf.« Er griff in seine Brusttasche, holte Jace’ Dolch mit dem rot schimmernden Knauf hervor und hielt ihn ihr entgegen. »Ich glaube, der gehört dir, oder?«
»Aber …«, stammelte Clary.
»Keine Sorge«, beruhigte er sie. »Ich habe die Klinge gesäubert.«
Wortlos nahm sie den Dolch entgegen. Luke lachte leise in sich hinein. »Aus heutiger Sicht war der Überfall auf das Hotel Dumort vielleicht doch nicht so gut organisiert, wie er hätte sein sollen«, meinte er. »Ich hatte eine Gruppe meiner Wölfe beauftragt, auf dich aufzupassen und dir zu folgen, falls du in Gefahr schweben solltest. Und als du dann in das Dumort hineinmarschiert bist …«
»Jace und ich wären auch ohne Hilfe klargekommen.« Clary schob den Dolch in ihren Gürtel.
Gretel betrachtete sie mit einem milden Lächeln. »Hatten Sie uns aus diesem Grund gerufen, Sir?«
»Nein«, erwiderte Luke und berührte seine Seite. »Meine Wunde ist wieder aufgegangen und Clary hat auch ein paar Verletzungen, die behandelt werden müssten. Wenn du dich darum kümmern könntest …«
Gretel nickte. »Ich komme gleich mit dem Verbandszeug zurück«, sagte sie und verließ die Zelle, wobei Alaric ihr wie ein überdimensionierter Schatten folgte.
»Sie hat dich ›Sir‹ genannt«, stellte Clary in dem Moment fest, als die Zellentür sich hinter ihnen schloss. »Und was meinst du mit ›Nummer Eins‹ und ›Nummer Zwei‹?«
»Mein Erster und Zweiter Offizier«, erwiderte Luke gedehnt. »Ich bin der Anführer dieses Wolfsrudels. Deshalb hat Gretel mich auch mit ›Sir‹ angesprochen. Glaub mir, es hat ziemlich viel Mühe gekostet, ihr abzugewöhnen, mich ›Gebieter‹ zu nennen …«
»Hat meine Mutter davon gewusst?«
» Wovon gewusst?«
»Dass du ein Werwolf bist.«
»Ja. Sie wusste es seit dem Moment, in dem es
Weitere Kostenlose Bücher