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Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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Blatt Papier so leer erschienen. Sie konnte die gespannte Stille im Raum förmlich spüren: Alle Blicke ruhten auf ihr. Magnus beobachtete sie mit der ihm eigenen gemäßigten Wissbegierde; Alec sah sie zwar an, war aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich um Clarys Probleme zu kümmern; Luke betrachtete sie hoffnungsvoll und Jace musterte sie mit einem kühlen, erschreckend leeren Blick. Clary erinnerte sich daran, wie er ihr gesagt hatte, er wünschte, er könnte sie hassen, und sie fragte sich, ob es ihm eines Tages wohl gelingen würde.
    Genervt warf sie den Stift hin. »Ich kann das nicht auf Kommando. Jedenfalls nicht ohne irgendeine Idee.«
    »Was für eine Art von Idee?«, fragte Luke.
    »Na ja, ich weiß doch noch nicht mal, welche Runen es überhaupt gibt. Ich brauche irgendeine Bedeutung, ein Wort, ehe ich dafür eine Rune zeichnen kann.«
    »Für uns ist es auch nicht leicht, sich an jede Rune zu erinnern …«, setzte Alec an, doch zu Clarys Überraschung fiel Jace ihm ins Wort.
    »Wie wäre es mit ›Furchtlosigkeit‹?«, fragte er leise.
    »Furchtlosigkeit?«, wiederholte Clary.
    »Ja. Es gibt zwar Runen für Tapferkeit, aber ich wüsste von keiner einzigen, die Angst nehmen kann. Und wo du doch sagst, du könntest neue Runen erschaffen …«, erwiderte Jace. Er sah sich um und bemerkte den erstaunten Ausdruck auf Alecs und Lukes Gesichtern. »Mir ist nur eingefallen, dass es so eine Rune nicht gibt – das ist bereits alles. Und was kann es schon schaden?«
    Clary sah zu Luke, der die Achseln zuckte. »Okay«, sagte er.
    Clary nahm einen dunkelgrauen Buntstift aus der Schachtel und setzte dessen Spitze auf das Papier. Sie dachte an Formen, Linien, Schnörkel; sie dachte an die Symbole im Grauen Buch, jahrhundertealt und perfekt – Verkörperungen einer Sprache, die zu makellos für Laute war. Eine sanfte Stimme meldete sich in Clarys Kopf: Für wen hältst du dich, dass du glaubst, die Sprache des Himmels zu beherrschen?
    Im nächsten Moment bewegte sich der Stift. Clary war sich ziemlich sicher, dass nicht sie ihn bewegt hatte. Er glitt über das Papier und hinterließ eine einzelne Linie. Clary spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Sie dachte an ihre Mutter, wie sie immer träumerisch vor ihrer Leinwand gesessen und ihre eigene Sicht der Welt in Tusche und Ölfarben geschaffen hatte. Clary dachte: Wer bin ich? Ich bin Jocelyn Frays Tochter. Der Stift bewegte sich erneut und dieses Mal stockte ihr der Atem. Sie hörte, wie sie das Wort flüsterte, leise vor sich hin murmelte: »Furchtlos. Furchtlos.« Der Stift schwang sich nach oben und jetzt war Clary diejenige, die das Zeichengerät führte, und nicht umgekehrt. Als sie fertig war, legte sie den Stift fort und starrte einen Moment verwundert auf das Ergebnis.
    Die vollendete Rune der Furchtlosigkeit bestand aus einem Gefüge von stark geschwungenen Linien – eine Rune, so kühn und aerodynamisch wie ein Adler. Clary riss das Blatt vom Block und hielt es hoch, damit die anderen es sehen konnten. »Hier bitte«, sagte sie und erntete einen verblüfften Ausdruck auf Lukes Gesicht – also hatte er ihr doch nicht geglaubt – und einen Blick aus Jace’ Augen, die sich eine Spur geweitet hatten.
    »Cool«, sagte Alec.
    Jace stand vom Klavierhocker auf, durchquerte den Raum und nahm Clary das Papier aus der Hand. »Aber funktioniert sie auch?«
    Clary fragte sich, ob er die Frage ernst meinte oder ob er sie einfach nur ärgern wollte. »Was willst du damit sagen?«
    »Ich will damit Folgendes sagen: Woher wissen wir, ob die Rune funktioniert? Bis jetzt ist das nur eine Zeichnung – und man kann einem Blatt Papier ja nicht die Angst nehmen, zumal es keine hat. Wir müssten die Rune also an einem von uns testen, ehe wir die Gewissheit haben, dass es sich um eine richtige Rune handelt.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist«, warf Luke ein.
    »Im Gegenteil: Das ist eine glänzende Idee.« Jace legte das Papier auf den Tisch, zog seine Jacke aus und griff in die Tasche. »Hier ist meine Stele. Wer möchte es mal mit mir versuchen?«
    »Welch beklagenswerte Wortwahl«, murmelte Magnus.
    Luke stand auf. »Nein«, sagte er. »Jace, du verhältst dich schon jetzt so, als hättest du das Wort ›Furcht‹ noch nie gehört. Es ist mir schleierhaft, wie wir einen Unterschied feststellen sollen, falls die Rune bei dir tatsächlich funktioniert.«
    Alec unterdrückte ein Kichern. Jace schenkte ihm ein angespanntes,

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