Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
einfach nur Objekte für dich – Dinge, die dir gehörten.«
»Aber ist das denn nicht Liebe, Clarissa? Besitz? ›Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein‹, wie es im Hohelied Salomos heißt.«
»Nein. Und komm mir nicht mit Bibelzitaten. Ich glaube nicht, dass du diese Stelle überhaupt verstanden hast.« Sie befand sich nun in unmittelbarer Nähe der Truhe, der Griff des Schwerts war in Reichweite. Verstohlen wischte Clary sich die vor Aufregung feuchten Finger an ihrer Jeans ab. »Es geht nicht einfach darum, dass dir jemand gehört, es geht darum, dass du dich einem anderen hingibst. Ich bezweifle, dass du jemals jemandem etwas gegeben hast. Außer Albträumen vielleicht.«
»Sich jemandem hingeben?« Das dünne Lächeln blieb unverändert. »So wie du dich Jonathan hingegeben hast?«
Ihre Hand, die sich bereits dem Schwert genähert hatte, verkrampfte sich zur Faust. Sie presste sie sich an die Brust und starrte ihn ungläubig an. »Was?«
»Meinst du etwa, ich hätte nicht gesehen, wie ihr beide euch anschaut? Wie er deinen Namen ausspricht? Du hältst mich vielleicht für gefühllos, aber das heißt nicht, dass ich nicht bei anderen Gefühle erkennen könnte.« Valentins Tonfall war kühl, jedes Wort wie eine eisige Nadelspitze. »Ich schätze, deine Mutter und ich müssen uns selbst die Schuld geben; da wir euch so lange voneinander getrennt gehalten haben, habt ihr nie die Distanz zueinander entwickelt, die bei Geschwistern natürlicher wäre.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst.« Clarys Zähne begannen zu klappern.
»Ich denke, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.« Er war aus dem Licht herausgetreten. Sein Gesicht lag nun im Schatten. »Ich habe Jonathan gesehen, nachdem er dem Angstdämon begegnet war. Agramon hat sich ihm in deiner Gestalt gezeigt. Das hat mir alles verraten, was ich wissen musste. Die größte Angst in Jonathans Leben ist die Liebe, die er für seine Schwester empfindet.«
»Ich tue nie, was man mir sagt«, erwiderte Jace. »Aber vielleicht ziehe ich Ihren Wunsch in Erwägung, wenn Sie mich höflich darum bitten.« Die Inquisitorin sah aus, als wollte sie mit den Augen rollen, hätte es aber längst verlernt. »Ich muss mit dir reden.«
Jace starrte die Inquisitorin an. »Jetzt?«
Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Jetzt.«
»Sie sind verrückt.« Jace warf einen Blick über das Deck. Es sah aus wie ein Höllengemälde von Hieronymus Bosch. Die Dunkelheit war erfüllt von Dämonen, die krochen, heulten, kreischten und mit Zähnen und Klauen um sich schlugen. Die Nephilim stießen mit leuchtenden Waffen vor und zurück. Doch Jace erkannte schon jetzt, dass die Zahl der Schattenjäger nicht reichte. Nicht annähernd. »Auf keinen Fall – wir sind mitten im Kampf …«
Der knochige Griff der Inquisitorin war erstaunlich fest. »Sofort.« Sie schob ihn vor sich her und Jace wich erst einen und dann einen zweiten Schritt zurück, zu überrascht, um sich zu wehren. Schließlich standen sie in einer Wandnische. Die Inquisitorin ließ Jace los und tastete in den Falten ihres dunklen Umhangs, bis sie zwei Seraphklingen fand und hervorzog. Dann flüsterte sie ihre Namen und dazu eine Reihe von Worten, die Jace nicht kannte, und rammte sie links und rechts von Jace in das Deck. Die Klingen blieben mit der Spitze im Deck stecken und ein bläulich weißer Lichtstrahl schoss aus ihnen hervor, der Jace und die Inquisitorin vom Rest des Schiffs abschirmte.
»Wollen Sie mich etwa erneut einsperren?«, fragte Jace und starrte die Inquisitorin ungläubig an.
»Das hier ist keine Maleachi-Anordnung. Wenn du willst, kannst du jederzeit gehen.« Sie presste ihre dünnen Hände fest gegeneinander. »Jonathan …«
»Sie meinen Jace.« Hinter der Wand aus weißem Licht konnte er den Kampf zwar nicht länger sehen, aber dafür den Lärm deutlich hören, die Schreie und das Geheul der Dämonen. Als er den Kopf wendete, sah er das Meer, auf dem etliche Lichter glitzerten wie Diamanten auf einem Spiegel. Etwa ein Dutzend Boote, schnittige Trimarane, wie sie auf den Seen in Idris verwendet wurden, hatten neben der Jacht angelegt. Schattenjägerboote. »Was wollen Sie, Inquisitorin? Warum sind Sie hier?«
»Du hattest recht mit Valentin«, räumte sie ein. »Er wollte sich auf den Handel nicht einlassen.«
»Er hat Ihnen gesagt, es sei ihm egal, ob Sie mich töten.« Jace fühlte sich plötzlich benommen.
»In dem Augenblick, in dem er ablehnte, habe ich natürlich sofort
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