Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
…«
Doch die Inquisitorin unterbrach sie. »Und genau wie dein Vater kannst auch du dein Temperament nicht zügeln«, sagte sie. »Die Lightwoods haben dich verhätschelt und deine schlimmsten Charaktereigenschaften ungehindert wuchern lassen. Du magst vielleicht wie ein Engel aussehen, Jonathan Morgenstern, aber ich weiß genau, wer du wirklich bist.«
»Er ist doch nur ein Junge«, warf Maryse ein.
Verteidigte sie ihn etwa? Jace sah rasch zu ihr hinüber, aber sie wandte den Blick ab.
»Auch Valentin war einst nur ein Junge. So, bevor wir nun in deinem blonden Köpfchen herumgraben, um die Wahrheit herauszufinden, schlage ich vor, regst du dich erst einmal ein wenig ab. Und ich weiß auch genau den perfekten Ort dafür.«
Jace blinzelte. »Schicken Sie mich etwa auf mein Zimmer?«
»Ich schicke dich in das Verlies der Stadt der Stille. Nach einer Nacht in den dortigen Zellen dürftest du wesentlich kooperativer sein.«
Maryse schnappte nach Luft. »Imogen – das kannst du nicht machen!«
»Und ob ich das kann.« Ihre Augen blitzten wie Rasierklingen. »Hast du mir noch irgendetwas zu sagen, Jonathan?«
Jace konnte sie nur sprachlos anstarren. In der Stadt der Stille gab es etliche Ebenen und er hatte gerade einmal die ersten beiden gesehen – die Ebene, in der das Archiv aufbewahrt wurde, und die, in der die Bruderschaft zur Versammlung zusammenkam. Die Arrestzellen befanden sich in der untersten Ebene der Stillen Stadt, noch unterhalb der Bestattungslevel, wo Abertausende toter Schattenjäger ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Die Zellen waren den übelsten Verbrechern vorbehalten: aus der Art geschlagenen Vampiren, Hexenmeistern, die die Gesetze des Bündnisses gebrochen hatten, Schattenjägern, die das Blut ihrer eigenen Leute vergossen. Jace war nichts dergleichen. Wie konnte sie auch nur vorschlagen, ihn dorthin zu schicken?
»Sehr vernünftig, Jonathan. Wie ich sehe, lernst du gerade die beste Lektion, die die Stadt der Stille dir zu bieten hat.« Das Lächeln der Inquisitorin erinnerte an einen grinsenden Totenkopf. »Nämlich wie man seinen Mund hält.«
Clary half Luke dabei, die Reste des Abendessens abzuräumen, als die Türglocke erneut bimmelte. Sie richtete sich auf und sah zu Luke. »Erwartest du Besuch?«
Luke runzelte die Stirn und trocknete sich die Hände am Geschirrtuch ab. »Nein. Warte hier.« Sie sah, wie er in eines der Regale griff und etwas hervorholte, ehe er die Küche verließ – etwas Glitzerndes.
»Hast du das Messer gesehen?« Simon pfiff anerkennend durch die Zähne und erhob sich vom Küchentisch. »Rechnet er mit Ärger?«
»Ich denke, er rechnet immer mit Ärger«, sagte Clary, »jedenfalls in letzter Zeit.« Vorsichtig warf sie einen Blick um die Küchentür herum und sah Luke an der geöffneten Ladentür stehen. Sie konnte zwar seine Stimme hören, aber nicht verstehen, was er sagte. Allerdings klang er nicht aufgebracht. Simons Hand an ihrer Schulter zog sie zurück. »Bist du verrückt? Bleib von der Tür weg. Was wäre, wenn da draußen irgend so ein Dämon steht?«
»Dann könnte Luke sicherlich unsere Hilfe gebrauchen.« Grinsend schaute sie auf seine Hand auf ihrer Schulter. »Spielst du jetzt den Beschützer? Das ist ja niedlich.«
»Clary!«, rief Luke aus dem Buchladen. »Komm bitte mal her. Ich möchte dir jemanden vorstellen.«
Clary tätschelte Simons Hand und schob sie beiseite. »Bin gleich wieder da.«
Luke lehnte mit verschränkten Armen am Türrahmen. Das Messer in seiner Hand war auf magische Weise verschwunden. Auf den Stufen des Hauses stand ein Mädchen – ein Mädchen mit einer hellbraunen Cordjacke und krausen braunen Haaren, die zu zahlreichen Zöpfen geflochten waren. »Das ist Maia … von der ich dir eben erzählt habe«, sagte Luke.
Das Mädchen sah Clary an. Im hellen Licht der Fassadenbeleuchtung schimmerten ihre bernsteinfarbenen Augen seltsam grünlich. »Du musst Clary sein.«
Clary nickte. »Stimmt.«
»Dann ist der Junge – der Typ mit den blonden Haaren, der den Blutmond auseinandergenommen hat – also dein Bruder?«
»Jace«, bestätigte Clary kurz angebunden. Die aufdringliche Neugierde dieses Mädchens gefiel ihr gar nicht.
»Maia?« Hinter Clary war Simon aufgetaucht, die Hände in den Taschen seiner Jeansjacke vergraben.
»Ja. Und du bist Simon, stimmt’s? Normalerweise kann ich mir ja keine Namen merken, aber deinen hab ich behalten.« Das Mädchen schaute an Clary vorbei und schenkte Simon ein
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