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Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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Beruhigendes an sich und die in Leder und Samt gebundenen Bücher an den hohen Wänden schienen immer wie alte Freunde auf seine Rückkehr zu warten. Doch jetzt wehte ihm eine eisige Brise entgegen, als er die Tür aufschwang. Das Feuer, das sonst während der Herbst- und Wintermonate in dem riesigen offenen Kamin geprasselt hatte, war zu einem Haufen kalter Asche zusammengefallen. Jemand hatte die Beleuchtung abgeschaltet und nur durch die Jalousien der schmalen Fenster und das Oberlicht hoch über seinem Kopf fiel etwas Licht in den Raum.
    Jace musste unwillkürlich an Hodge denken. Wenn er jetzt hier wäre, würde das Feuer im Kamin knistern und die Gaslampen wären angezündet und würden ihren goldenen Schein über den Parkettboden werfen. Hodge würde in seinem Lehnsessel am Kamin sitzen, Hugo auf seiner Schulter und ein Buch auf dem Schoß … Plötzlich bemerkte Jace, dass tatsächlich jemand in Hodges altem Sessel saß – eine dünne graue Gestalt, die sich nun geschmeidig wie eine Königskobra erhob und sich ihm mit einem kalten Lächeln zuwandte.
    Es war eine Frau. Sie trug einen langen, altmodischen dunkelgrauen Umhang, der ihr bis zu den Stiefeln reichte. Darunter kam ein maßgeschneiderter schiefergrauer Hosenanzug mit einem Mandarinkragen zum Vorschein, dessen steife Spitzen sich in ihren Hals drückten. Ihre blassblonden, fast farblosen Haare waren straff zurückgekämmt und ihre Augen wirkten wie steingraue Kiesel. Jace konnte sie deutlich spüren, als ihr Blick von seiner schmutzigen, dreckbespritzten Jeans über sein verletztes Gesicht bis zu seinen Augen wanderte und ihn fixierte – wie die eisige Berührung gefrierenden Wassers.
    Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte irgendetwas in ihrem Blick auf, als ob eine Flamme unter dieser Eisschicht aufloderte; doch genauso schnell verschwand es auch wieder. »Dann bist du also der Junge?«
    Ehe Jace reagieren konnte, kam ihm jemand zuvor – Maryse, die hinter ihm die Bibliothek betreten hatte. Jace fragte sich, wieso er sie nicht hatte kommen hören; doch dann sah er, dass sie ihre hochhackigen Schuhe gegen Hauspantoffeln getauscht hatte. Außerdem trug sie einen langen Morgenmantel aus bestickter Seide und hatte einen finsteren Ausdruck im Gesicht. »Ja, Inquisitorin«, sagte sie. »Das ist Jonathan Morgenstern.«
    Wie wogender grauer Rauch bewegte sich die Inquisitorin auf Jace zu, blieb dann direkt vor ihm stehen und streckte ihre Hand aus – die langen weißen Spindelfinger erinnerten ihn an eine Albinospinne. »Sieh mich an Junge«, sagte sie und plötzlich packten die langen Finger sein Kinn und zwangen seinen Kopf nach oben. Sie war unglaublich kräftig. »Du wirst mich Inquisitorin nennen – und nichts anderes.« Die Haut um ihre Augen war mit einem Gitterwerk aus feinen Linien überzogen, wie Risse in einer Farbschicht. Zwei schmale Furchen verliefen von den Mundwinkeln zu ihrem Kinn. »Hast du mich verstanden?«
    Fast sein gesamtes Leben lang war die Inquisitorin für Jace eine weit entfernte, beinahe mythische Gestalt gewesen. Ihre Identität und viele ihrer Aufgaben waren vom Rat verschleiert worden und er hatte sie sich immer wie eine Angehörige der Bruderschaft der Stillen Stadt vorgestellt – selbstbeherrscht, mächtig und voller verborgener Mysterien. Jemanden wie sie hatte er jedoch nicht erwartet, jemanden, der so direkt war … so feindselig. Ihre Augen schienen ihn zu durchbohren, seinen Schutzpanzer aus Selbstvertrauen und amüsierter Arroganz zu zerteilen und ihn bis auf die Knochen bloßzulegen. »Mein Name ist Jace«, sagte er. »Nicht ›Junge‹. Jace Wayland.«
    »Du hast kein Recht, den Namen der Waylands zu führen«, entgegnete sie. »Du bist Jonathan Morgenstern. Die Behauptung, du würdest Wayland heißen, macht dich zu einem Lügner. Zum gleichen Lügner wie dein Vater.«
    »Ehrlich gesagt«, bemerkte Jace, »ziehe ich es vor, mich für einen einzigartigen, ganz und gar unverwechselbaren Lügner zu halten.«
    »Verstehe.« Ein kleines Lächeln umspielte ihre blassen Lippen – kein freundliches Lächeln. »Du bist aufsässig gegenüber Respektspersonen, ebenfalls genau wie dein Vater. Und wie der Engel, dessen Namen ihr beide tragt.« Ihre Finger umklammerten sein Kinn mit einer plötzlichen Heftigkeit und ihre Nägel gruben sich schmerzhaft in seine Haut. »Luzifer wurde für seine Aufsässigkeit entlohnt, als Gott ihn in den Abgrund der Hölle verbannte.« Ihr Atem roch so sauer wie Essig. »Wenn du dich

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