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Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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der Decke über ihm. Die einzigen Informationen, die er über die Arrestzelle besaß, stammten von dem schwachen Schein der Fackeln, die die Brüder der Stillen Stadt bei sich getragen hatten, als sie die Gittertür aufgeschlossen und ihn wie einen gewöhnlichen Verbrecher in die Zelle gestoßen hatten.
    Andererseits hielten sie ihn wahrscheinlich auch genau dafür.
    Er wusste, dass die Zelle einen Boden aus großen Steinplatten besaß, dass drei der Wände aus behauenen Felssteinen gemauert waren und dass die vierte Seite aus einem engen Gitter mit massiven Elektrumstäben bestand, das tief in das Mauerwerk eingelassen war und in der Mitte eine Tür aufwies. Und er wusste auch, dass sich entlang der Ostwand eine lange Metallschiene erstreckte, denn die Stillen Brüder hatten die eine Hälfte eines Paars silberner Handfesseln daran befestigt und die andere Hälfte um sein Handgelenk gelegt. Auf diese Weise konnte er ein paar Schritte auf und ab gehen und wie Marleys Geist mit der Kette rasseln, aber das war auch schon alles. Inzwischen hatte er sein rechtes Handgelenk bereits wund gescheuert, da er immer wieder gedankenverloren an der Handschelle zerrte. Glücklicherweise war er Linkshänder – ein kleiner Lichtblick in der undurchdringlichen Dunkelheit. Nicht dass das eine große Rolle gespielt hätte, aber es gab ihm ein beruhigendes Gefühl, im Notfall wenigstens seine führende Hand frei zu wissen.
    Erneut begann er seine langsame Wanderung entlang der Zellenmauer und fuhr mit den Fingern über die Steine. Es zermürbte ihn, dass er nicht wusste, wie spät es war. In Idris hatte sein Vater ihm beigebracht, wie man die Uhrzeit anhand der Stellung der Sonne bestimmte, anhand der Länge der nachmittäglichen Schatten oder mithilfe der Position der Sterne am Nachthimmel. Doch hier unten gab es keine Sterne. Tatsächlich fragte er sich allmählich, ob er den Himmel jemals wieder zu sehen bekommen würde.
    Er hielt inne. Warum stellte er sich überhaupt diese Frage? Natürlich würde er den Himmel wiedersehen. Der Rat hatte doch nicht vor, ihn umzubringen ; die Todesstrafe war schließlich Mördern vorbehalten. Aber ein Anflug von Furcht blieb und setzte sich unterhalb seines Brustkorbs fest, seltsam wie ein unerwarteter, stechender Schmerz. Normalerweise litt Jace nicht unter Panikanfällen – Alec würde sogar behaupten, dass er ruhig etwas mehr gesunde Feigheit an den Tag legen könnte. Aber Furcht oder Angst hatten nun mal noch nie großen Einfluss auf ihn ausgeübt.
    Er musste an Maryse denken und an das, was sie gesagt hatte: Du hast dich doch nie vor der Dunkelheit gefürchtet.
    Und damit hatte sie recht. Die Furcht, die er nun verspürte, war vollkommen unnatürlich und sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Es bedurfte schon mehr als schlichter Dunkelheit, um ihm Angst einzujagen. Erneut holte er kurzatmig Luft. Er musste einfach nur zusehen, dass er die Nacht überstand. Eine einzige Nacht. Das war schon alles. Er ging einen Schritt vorwärts und zog die Handfessel leise schleifend hinter sich her. Plötzlich zerriss ein Geräusch die Stille, das ihn wie angewurzelt stehen bleiben ließ – ein hohes, heulendes Wehklagen, ein Ausdruck schieren, blinden Entsetzens. Das Heulen klang fort und fort, wie eine einzelne Geigennote, und wurde immer höher und dünner und schriller, bis es abrupt abbrach.
    Jace fluchte. Ihm klirrten die Ohren und er schmeckte panische Angst im Mund, ein bitteres, metallisches Aroma. Wer hätte gedacht, dass Furcht einen Geschmack besaß? Er presste seinen Rücken gegen die Steinmauer und zwang sich zur Ruhe.
    Doch dann ertönte das Geräusch erneut, lauter diesmal, gefolgt von einem weiteren Schrei und noch einem. Irgendetwas krachte über ihm dröhnend zu Boden und Jace duckte sich instinktiv, ehe ihm wieder einfiel, dass er sich etliche Ebenen unter der Erde befand. Dann hörte er noch ein Poltern und vor seinem inneren Auge begann sich ein Bild abzuzeichnen: Mausoleumstüren, die krachend aufflogen … die Leichname jahrhundertelang begrabener Schattenjäger, die staksend aus ihren Gräbern stiegen … fleddrige Skelette, die von trockenen Sehnen zusammengehalten wurden und sich mit ihren fleischlosen, knochigen Fingern über die weißen Böden der Stillen Stadt vorwärts zogen …
    Jetzt reicht’s! Unter größter Anstrengung zwang Jace sich, das Bild aus seinen Gedanken zu verbannen. Die Toten kehrten nicht zurück. Und außerdem waren sie die sterblichen Überreste von Nephilim,

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