Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
Stimme seines Vaters schwand dahin wie Rauch in einer aufkommenden Brise. Er spürte einen Schmerz und einen metallischen Geschmack auf seiner Zunge; offenbar hatte er sich auf die Innenseite der Unterlippe gebissen. Stöhnend setzte er sich auf.
Das Knacken ertönte erneut und er schaute instinktiv auf seine Hand. Sie war unversehrt. Langsam erkannte er, dass das Geräusch von außerhalb des Raums kam – jemand klopfte, wenn auch zögerlich, an seine Tür.
Jace rollte sich aus dem Bett und erschauderte, als seine nackten Füße auf den kalten Boden trafen. Er war vollständig bekleidet eingeschlafen und warf nun einen angewiderten Blick auf sein zerknittertes T-Shirt. Vermutlich stank er noch immer nach Wolf. Außerdem tat ihm jeder einzelne Knochen im Körper weh.
Es wurde ein weiteres Mal angeklopft. Jace schleppte sich durch das Zimmer und riss die Tür auf. »Alec?«, blinzelte er überrascht.
Verlegen zuckte Alec die Achseln, die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben. »Tut mir leid, dass ich dich so früh wecke. Mom hat mich geschickt, um dich zu holen. Sie will dich in der Bibliothek sprechen.«
»Wie spät ist es denn?«
»Fünf Uhr morgens.«
»Und wieso, zum Teufel, bist du schon wach?«
»Ich war noch gar nicht im Bett.« Anscheinend sagte er die Wahrheit, denn er hatte dunkle Ringe unter den blauen Augen.
Jace fuhr sich mit der Hand durch die wirren Haare. »Okay. Warte einen Moment, während ich mir was Frisches anziehe.« Er marschierte zum Schrank und wühlte in den ordentlich gefalteten Kleiderstapeln, bis er ein dunkelblaues T-Shirt mit langen Ärmeln fand. Dann schälte er sich vorsichtig aus dem dreckigen Shirt – an manchen Stellen hatte getrocknetes Blut den Stoff mit seiner Haut verklebt.
Alec schaute beiseite. »Was ist denn mit dir passiert?« Seine Stimme klang seltsam angespannt.
»Ich hab mich mit einem Rudel Werwölfe geprügelt.« Jace streifte das blaue T-Shirt über und folgte Alec in den Flur. »Du hast da was am Hals«, stellte er fest.
Alecs Hand flog ruckartig an seine Kehle. »Was?«
»Sieht aus wie eine Bisswunde«, bemerkte Jace. »Was hast du überhaupt die ganze Nacht getrieben?«
»Nichts.« Alec lief feuerrot an und stapfte, die Hand immer noch an seinem Hals, den Korridor hinunter, dicht gefolgt von Jace. »Ich war spazieren. Im Park. Um einen klaren Kopf zu bekommen.«
»Und bist dann auf einen Vampir gestoßen?«
»Was? Nein! Nein, ich bin hingefallen.«
»Auf deinen Hals ?«, fragte Jace. Doch da Alec ein seltsames Geräusch machte, beschloss er, das Thema lieber ruhen zu lassen. »Okay, von mir aus. Was hat dich denn so beschäftigt, dass du einen klaren Kopf bekommen wolltest?«
»Du. Und meine Eltern«, sagte Alec. »Meine Mom hat mir erklärt, warum sie so sauer war, nachdem du weg warst. Und sie hat mir das von Hodge berichtet. Vielen Dank auch, dass du es mir nicht erzählt hast.«
»Tut mir leid.« Jetzt errötete Jace. »Ich konnte es einfach nicht übers Herz bringen.«
»Auf jeden Fall macht das keinen guten Eindruck.« Alec ließ die Hand sinken und schaute Jace nun vorwurfsvoll an. »Es sieht so aus, als hättest du etwas zu verbergen gehabt. Etwas über Valentin.«
Jace blieb abrupt stehen. »Glaubst du etwa, dass ich gelogen habe? Dass ich doch wusste, dass Valentin mein Vater ist?«
»Nein!« Alec zuckte erschrocken zusammen – entweder wegen der Frage oder wegen der Vehemenz in Jace’ Stimme. »Und es ist mir auch egal, wer dein Vater ist. Das spielt für mich keine Rolle. Du bist noch immer der gleiche Mensch.«
»Wer auch immer das sein mag.« Die Worte platzten bitter aus Jace heraus, ehe er sie aufhalten konnte.
»Ich wollte damit nur sagen, dass du manchmal ein klein wenig … harsch sein kannst«, sagte Alec nun in beschwichtigendem Ton. »Denk einfach einen Moment nach, bevor du etwas sagst; das ist das Einzige, worum ich dich bitte. Du hast hier keine Feinde, Jace.«
»Na vielen Dank für deinen Rat«, entgegnete Jace. »Ich find den Weg in die Bibliothek auch allein.«
»Jace …«
Doch Jace stürmte davon und ließ Alec stehen. Er hasste es, wenn andere Leute sich Sorgen um ihn machten – das weckte in ihm das Gefühl, dass es möglicherweise tatsächlich Grund zur Sorge gab.
Die Bibliothekstür stand halb offen und Jace marschierte hinein, ohne anzuklopfen. Die Bibliothek war schon immer sein Lieblingsraum im Institut gewesen – die altmodische Mischung aus Holz und Messingbeschlägen hatte etwas
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