Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
dicht gefolgt von Alec. Im nächsten Moment flog die Tür hinter ihnen zu und Clary setzte sich auf Isabelles Bett und musterte Max beklommen. Sie hatte in ihrem Leben noch nicht viel Zeit mit kleinen Kindern verbracht – ihre Mutter hatte ihr nicht einmal erlaubt, sich als Babysitter zu versuchen – und war sich deshalb nicht sicher, wie sie mit ihnen reden oder sie beschäftigen sollte. Allerdings half ihr der Gedanke, dass dieser kleine Junge sie irgendwie an Simon in jenem Alter erinnerte, mit den dünnen Armen und Beinen und der viel zu großen Brille für das kleine Gesicht.
Max erwiderte ihren Blick, aber keineswegs schüchtern, sondern nachdenklich und gefasst. »Wie alt bist du?«, fragte er schließlich.
Clary war verblüfft. »Wie alt sehe ich denn aus?«
»Wie vierzehn.«
»Ich bin sechzehn, aber die Leute schätzen mich immer jünger, weil ich so klein bin.«
Max nickte. »Geht mir auch so«, sagte er. »Ich bin neun, aber man hält mich immer für sieben.«
»Für mich siehst du aus wie neun«, sagte Clary. »Was hast du da? Ist das ein Buch?«
Max nahm seine Hand, die er hinter dem Rücken gehalten hatte, nach vorne und zeigte ihr das flache Heft von der Größe eines Zeitschriftenmagazins. Das leuchtend bunte Cover war mit einem japanischen Schriftzug versehen, der unter dem Logo in lateinischer Schrift stand.
Clary lachte. »Naruto« , sagte sie. »Ich wusste gar nicht, dass du Mangas magst. Woher hast du das?«
»Vom Flughafen. Mir gefallen die Bilder, aber ich kapiere nicht, wie man diesen Comic lesen muss.«
»Lass mich mal sehen.« Sie klappte das Heft auf und hielt ihm eine Doppelseite entgegen. »Du musst es rückwärts lesen, also von rechts nach links, statt von links nach rechts. Außerdem musst du jede Seite im Uhrzeigersinn betrachten. Weißt du, was das bedeutet?«
»Natürlich«, erwiderte Max. Einen Moment lang fürchtete Clary, sie hätte ihn vielleicht verärgert. Aber er schien ziemlich zufrieden, als er das Heft zurücknahm und die letzte Seite aufschlug. »Das hier ist Heft Nr. 9«, sagte er. »Wahrscheinlich sollte ich mir erst mal die ersten acht besorgen, ehe ich das hier lese.«
»Keine schlechte Idee. Vielleicht kannst du ja jemanden bitten, mit dir zu Midtown Comics oder Forbidden Planet zu gehen.«
»Forbidden Planet?« Max wirkte verwirrt, aber bevor Clary ihm erklären konnte, dass es sich um Namen von Comicbuchhandlungen handelte, platzte Isabelle herein. Sie war vollkommen außer Atem.
»Da hat tatsächlich jemand versucht, das Institut zu erreichen«, schnaufte sie, ehe Clary fragen konnte. »Einer der Stillen Brüder. In der Stadt der Gebeine muss irgendwas vorgefallen sein.«
» Irgendwas im Sinne von …?«
»Keine Ahnung. Ich hab noch nie gehört, dass die Bruderschaft jemals um Hilfe gebeten hätte.« Isabelle war eindeutig sehr beunruhigt. »Max, geh in dein Zimmer und bleib dort, okay?«, wandte sie sich an ihren Bruder.
Max machte ein entschlossenes Gesicht. »Wieso? Wollt ihr beide – du und Alec – denn noch weg?«
»Ja.«
»In die Stadt der Stille?«
»Max …«
»Ich will mit.«
Isabelle schüttelte den Kopf; das Heft des Glasdolches in ihrem Haarknoten funkelte bläulich. »Kommt nicht infrage. Du bist noch viel zu jung.«
»Und du bist auch noch keine achtzehn!«
Mit einer Mischung aus Sorge und Verzweiflung im Blick wandte Isabelle sich an Clary: »Kann ich dich mal kurz sprechen, bitte ?«
Verwundert stand Clary auf, als Isabelle sie auch schon am Arm packte, aus dem Zimmer zog und die Tür hinter sich zuschlug. Im nächsten Moment ertönte ein dumpfes Dröhnen, als Max sich gegen die Tür warf. »Verdammt«, murmelte Isabelle, während sie den Türgriff eisern festhielt. »Kannst du mir mal bitte meine Stele reichen? Sie steckt in meiner Tasche …«
Hastig hielt Clary ihr die Stele entgegen, die Luke ihr wenige Stunden zuvor gegeben hatte. »Nimm meine.«
Mit ein paar eleganten Strichen ritzte Isabelle eine Verriegelungsrune in die Tür. Clary konnte Max’ Proteste von der anderen Seite hören, als Isabelle grinsend einen Schritt zurücktrat und ihr die Stele zurückgab. »Ich wusste gar nicht, dass du auch eine Stele besitzt.«
»Sie hat meiner Mutter gehört«, sagte Clary und tadelte sich dann stumm. Sie gehört meiner Mutter.
»Ach.« Isabelle schlug mit der Faust gegen die Tür. »Max, in der Schublade von meinem Nachtschränkchen sind noch ein paar Schokoriegel, falls du Hunger hast. Wir kommen so schnell wie
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