Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
Vorgesetzten große Töne spucken dürfte? Ganz bestimmt nicht.«
»Na ja, vielleicht nicht während eines Krieges. Aber Jace ist doch kein Soldat.«
»Doch, genau das sind wir aber – wir sind alle Soldaten. Jace so gut wie jeder andere von uns. Auch wir Schattenjäger haben eine Befehlshierarchie und die Inquisitorin befindet sich nahezu an der Spitze dieser Rangordnung. Jace dagegen fast am unteren Ende. Er hätte sie mit mehr Respekt behandeln sollen.«
»Wenn ihr damit einverstanden seid, dass Jace im Gefängnis hockt, warum habt ihr mich dann hierherbestellt? Nur um mich von eurem Standpunkt zu überzeugen? Was soll das Ganze? Was erwartet ihr von mir?«
»Wir sagen ja gar nicht, dass er im Gefängnis sein sollte«, erwiderte Isabelle beleidigt. »Er hätte lediglich einem der hochrangigsten Mitglieder des Rats keine Widerworte geben sollen. Außerdem …«, fügte sie mit etwas dünnerer Stimme hinzu, »hab ich gedacht, du könntest vielleicht helfen.«
»Helfen? Wie denn?«
»Ich hab’s dir ja schon mal gesagt: Es scheint, als würde Jace es darauf anlegen, dass er im Kampf umkommt«, erklärte Alec. »Er muss lernen, auf sich aufzupassen, und dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit der Inquisitorin.«
»Und ihr glaubt also, ich könnte ihn dazu bringen?«, fragte Clary mit ungläubiger Stimme.
»Ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt jemand Jace zu irgendetwas bringen kann«, sagte Isabelle. »Aber ich denke, du könntest ihn daran erinnern, dass es etwas gibt, wofür es sich zu leben lohnt.«
Alec schaute auf das Kissen in seinen Händen und riss plötzlich ungehalten an den Fransen. Perlen prasselten auf lsabelles Bettdecke wie ein heftiger Regenguss.
Isabelle runzelte die Stirn. »Alec, nicht.«
Clary wollte dem Geschwisterpaar erklären, dass sie beide Jace’ Familie waren und nicht sie … und dass ihre Meinungen wesentlich schwerer wogen als ihre es jemals vermochte. Aber dann hörte sie wieder Jace’ Stimme in ihrem Ohr: Ich habe mich nie richtig zugehörig gefühlt. Aber du gibst mir das Gefühl, zu dir zu gehören. »Können wir zur Stillen Stadt fahren und ihn besuchen?«, fragte sie schließlich.
»Wirst du ihm denn sagen, dass er mit der Inquisitorin kooperieren muss?«, fragte Alec fordernd.
Clary dachte einen Moment nach. »Zuerst will ich mal hören, was er dazu zu sagen hat.«
Alec ließ das gerupfte Kissen auf das Bett fallen und stand stirnrunzelnd auf. Doch bevor er etwas sagen konnte, hörten sie, wie jemand an die Tür klopfte. Isabelle rutschte von ihrem Frisiertisch, um nachzusehen.
Vor der Tür stand ein kleiner, dunkelhaariger Junge, dessen Augen von seiner großen Brille halb verdeckt wurden. Er trug Jeans und ein überdimensioniertes Sweatshirt und hielt ein Heft in der Hand. »Max«, sagte Isabelle überrascht, »ich dachte, du würdest längst schlafen.«
»Ich war in der Waffenkammer«, sagte der Junge – der der jüngste Sohn der Lightwoods sein musste. »Aber aus der Bibliothek kamen so seltsame Geräusche. Vielleicht versucht ja jemand, das Institut zu erreichen.« Er schaute an Isabelle vorbei zu Clary. »Wer ist das?«
»Das ist Clary«, sagte Alec. »Sie ist Jace’ Schwester.«
Max bekam ganz große, runde Augen. »Ich dachte, Jace hätte keine anderen Brüder oder Schwestern.«
»Das haben wir alle gedacht«, erwiderte Alec und schnappte sich den Pullover, den er über einen von Isabelles Stühlen geworfen hatte. Seine Haare standen in alle Richtungen und umkränzten seinen Kopf wie ein weicher dunkler Heiligenschein. Als er den Pullover eilig überstreifte, knisterten sie vor statischer Ladung; ungeduldig drückte er sie nach unten. »Dann sollte ich mal besser in die Bibliothek gehen und nachsehen.«
»Wir gehen gemeinsam«, sagte Isabelle, nahm ihre goldene Peitsche, die zu einem schimmernden Seil aufgerollt war, aus einer Schublade und schob den Handgriff unter ihren Gürtel. »Vielleicht ist irgendwas passiert.«
»Wo ist denn eure Mutter?«, fragte Clary.
»Sie ist vor ein paar Stunden fortgerufen worden. Im Central Park wurde ein Feenwesen ermordet. Und die Inquisitorin hat sie begleitet«, erklärte Alec.
»Und ihr wolltet nicht mitgehen?«
»Wir waren nicht eingeladen.« Isabelle steckte ihre beiden dunklen Zöpfe hoch und fixierte sie mit einem kleinen Glasdolch. »Pass bitte auf Max auf, ja? Wir sind gleich wieder zurück.«
»Aber …«, protestierte Clary.
»Dauert nicht lange.« Isabelle stürmte in den Korridor hinaus,
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