Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Schulter. Überrascht wirbelte Clary herum und entdeckte Sebastian, der auf sie zusteuerte. Er trug seine Schattenjägermontur, die ihm erstaunlich gut stand - als wäre er zum Kampf geboren, dachte Clary. Während alle anderen blutverschmiert und ziemlich mitgenommen aussahen, wirkte er vollkommen unversehrt - abgesehen von zwei roten Kratzern, die sich über seine linke Wange zogen, als hätte irgendeine Kreatur mit langen Krallen nach ihm ausgeschlagen. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Auf dem Weg hierher bin ich an Amatis’ Haus vorbeigekommen, aber du warst nicht da und sie meinte, sie hätte dich auch nicht gesehen …«
»Ach, mir geht’s gut.« Clary schaute kurz von Sebastian zu Magnus, der das Weiße Buch fest gegen seine Brust gedrückt hielt. Sebastian musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Und was ist mit dir?«, fragte Clary. »Dein Gesicht…« Vorsichtig berührte sie seine Verletzung. Aus den Kratzspuren quoll noch immer Blut.
Sebastian zuckte die Achseln und schob ihre Hand behutsam beiseite. »Eine Dämonin hat mich in der Nähe der Penhallows erwischt. Aber mir geht’s gut. Was gibt’s Neues?«
»Nichts. Ich unterhalte mich nur gerade mit Ma… Ragnor«, verbesserte Clary sich hastig, als ihr plötzlich mit Schrecken bewusst wurde, dass Sebastian keine Ahnung hatte, wer Magnus tatsächlich war.
»Maragnor?« Sebastian zog die Augenbrauen noch höher. »Okay. Na dann.« Neugierig schaute er in Richtung des Weißen Buches. Clary wünschte, Magnus würde es wegstecken - so wie er es hielt, waren die vergoldeten Buchstaben auf dem Umschlag deutlich zu erkennen. »Was ist das?«, fragte Sebastian gespannt.
Magnus musterte den Jungen einen Moment aus nachdenklich zusammengekniffenen Katzenaugen. »Ein Zauberbuch«, sagte er schließlich. »Nichts, was für einen Schattenjäger von Interesse wäre.«
»Also, meine Tante sammelt zufälligerweise Zauberbücher. Darf ich mal einen Blick reinwerfen?«, erwiderte Sebastian und streckte die Hand aus. Doch ehe Magnus diese Bitte abschlagen konnte, hörte Clary, wie jemand ihren Namen rief, und Jace und Alec kamen auf sie zu, offensichtlich nicht besonders erfreut, Sebastian hier zu sehen.
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst bei Max und Isabelle bleiben!«, fuhr Alec ihn an. »Hast du sie etwa allein gelassen?«
Langsam wandte Sebastian den Blick von Magnus ab und schaute zu Alec. »Deine Eltern sind nach Hause gekommen, genau wie du gesagt hast.« Seine Stimme klang kalt. »Sie haben mich hierhergeschickt, um dir zu sagen, dass es ihnen gut geht, und das Gleiche gilt für Izzy und Max. Sie sind auf dem Weg hierher.«
»Schönen Dank auch, dass du diese Nachricht sofort nach deinem Eintreffen überbracht hast«, warf Jace sarkastisch ein.
»Als ich hier angekommen bin, habe ich euch nicht gesehen«, erwiderte Sebastian. »Aber ich habe Clary gesehen.«
»Weil du nach ihr Ausschau gehalten hast.«
»Weil ich mit ihr reden muss. Und zwar allein.« Er wandte sich wieder Clary zu und der eindringliche Ausdruck in seinen Augen stimmte sie nachdenklich. Sie wollte ihm schon sagen, dass er sie in Jace’ Gegenwart nicht so ansehen solle, doch das hätte übertrieben und verrückt geklungen, und möglicherweise hatte er ihr ja tatsächlich etwas Wichtiges mitzuteilen. »Clary?«, hakte Sebastian nach.
Sie nickte. »Also gut. Aber nur eine Sekunde«, sagte sie und sah, wie sich Jace’ Ausdruck veränderte. Er zog zwar keine finstere Miene, doch sein Gesicht wurde vollkommen ausdruckslos. »Ich bin gleich wieder zurück«, fügte Clary hinzu, aber Jace schaute gar nicht in ihre Richtung. Seine Augen waren fest auf Sebastian geheftet.
Sebastian packte Clary am Handgelenk und zog sie von den anderen fort, in Richtung der dichten Menge in der Saalmitte. Als sie einen raschen Blick über die Schulter warf, sah sie, dass die anderen ihr nachschauten, sogar Magnus. Sie sah, dass der Hexenmeister ein einziges Mal den Kopf schüttelte, eine winzige, kaum wahrnehmbare Bewegung.
Sofort widersetzte Clary sich Sebastians Bemühungen, sie fortzuzerren. »Sebastian. Hör auf. Was ist los? Was wolltest du mir sagen?«
Langsam drehte er sich zu ihr um, ihr Handgelenk noch immer fest im Griff. »Ich dachte, wir könnten kurz nach draußen gehen«, erwiderte er. »Uns irgendwo ungestört unterhalten …«
»Nein. Ich will lieber hierbleiben«, sagte Clary. Sie hörte, wie ihre Stimme dabei leicht zitterte, als wäre sie sich nicht sicher.
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