Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
dich zu Gesicht bekäme. Aber da war nichts, absolut nichts, was mir Gewissheit verschafft hätte. Daraufhin nahm ich an, dass es sich vielleicht um einen von Valentins Tricks handelte. Doch was sollte dieser Trick bewirken? Was versuchte er damit zu erreichen? Du hattest nicht den blassesten Schimmer, das war mir sofort klar, aber worauf zielte Valentin ab …«
»Du hättest mir sagen müssen, was ich bin«, stieß Jace in einem Atemzug hervor, als hätte man die Worte aus ihm herausgeprügelt. »Damals hätte ich noch etwas dagegen unternehmen können. Mich vielleicht umbringen.«
Hodge hob den Kopf und schaute durch seine verfilzten Haare zu Jace hoch. »Ich war mir nicht sicher«, wiederholte er leise, fast wie zu sich selbst. »Und jedes Mal, wenn ich Zweifel hatte, ob es nicht vielleicht doch stimmte, hab ich mir überlegt … da habe ich überlegt, ob die Erziehung nicht vielleicht eine größere Rolle spielen könnte als die Abstammung … dass man dir vielleicht beibringen könnte …«
»Was beibringen? Kein Monster zu sein?« Jace’ Stimme zitterte, aber die Hand mit dem Messer war vollkommen ruhig. »Du hättest es besser wissen müssen. Doch er hat einen unterwürfigen Feigling aus dir gemacht, stimmt’s? Dabei warst du kein hilfloses kleines Kind mehr. Du hättest dich widersetzen können.«
Hodge senkte den Blick. »Ich habe mir alle Mühe mit dir gegeben«, murmelte er. Doch selbst in Clarys Ohren klangen seine Worte jämmerlich.
»Bis zu Valentins Rückkehr«, erwiderte Jace, »und dann hast du alles getan, was er verlangt hat: Du hast mich ihm übergeben, als wäre ich ein Hund, der ihm einst gehört hatte und den du ein paar Jahre für ihn gehütet hattest…«
»Und dann bist du verschwunden«, wandte Alec sich an Hodge. »Hast uns alle einfach zurückgelassen. Hast du wirklich geglaubt, dass du dich hier verstecken könntest, hier in Alicante?«
»Ich bin nicht hierhergekommen, um mich zu verstecken«, sagte Hodge mit tonloser Stimme. »Ich bin gekommen, um Valentin aufzuhalten.«
»Du kannst doch nicht ernsthaft erwarten, dass wir das glauben.« Alec klang nun wütend. »Du hast immer auf Valentins Seite gestanden. Dabei hättest du die Wahl gehabt… du hättest dich gegen ihn entscheiden können …«
»Diese Wahl hatte ich nie!«, fauchte Hodge. »Deine Eltern haben die Chance bekommen, ein neues Leben anzufangen - diese Möglichkeit hat man mir verwehrt! Ich saß fünfzehn Jahre lang im Institut gefangen …«
»Das Institut war unser Zuhause!«, protestierte Alec. »War es wirklich so schlimm, mit uns zu leben - Teil unserer Familie zu sein?«
»Nein, nicht euretwegen.« Hodges Stimme klang rau. »Euch Kinder habe ich geliebt. Aber ihr wart nun mal Kinder. Und ein Ort, den man nie verlassen darf, kann kein echtes Zuhause sein … kein Ort auf der Welt kann das. Manchmal habe ich wochenlang kein einziges Wort mit einem Erwachsenen gewechselt. Keiner der anderen Schattenjäger vertraute mir. Nicht einmal deine Eltern haben mich wirklich gemocht; sie haben mich toleriert, weil ihnen keine andere Wahl blieb. Ich konnte weder heiraten noch jemals eigene Kinder haben … kein eigenes Leben führen. Und irgendwann wärt ihr Kinder erwachsen geworden und aus dem Haus gegangen und dann hätte ich nicht einmal mehr euch gehabt. Ich habe in ständiger Angst gelebt, wenn man das überhaupt als Leben bezeichnen will.«
»Spar dir deine Versuche, an unser Mitleid zu appellieren - das funktioniert nicht«, sagte Jace. »Nicht nach dem, was du getan hast. Und wovor, zum Teufel, hast du dich denn gefürchtet während all der Jahre in der Bibliothek? Vielleicht vor Hausstaubmilben? Wir waren doch diejenigen, die hinausgegangen sind und gegen Dämonen gekämpft haben!«
»Er hat sich vor Valentin gefürchtet«, wandte Simon ein. »Kapierst du das denn nicht…«
Jace warf ihm einen bösen Blick zu. »Halt die Klappe, Vampir! Das hier geht dich überhaupt nichts an.«
»Nicht direkt vor Valentin«, sagte Hodge und sah Simon zum ersten Mal richtig an. In seinem erschöpften Blick lag etwas, das Clary überraschte - fast so etwas wie Zuneigung. »Ich habe mich vor meiner eigenen Schwäche gefürchtet. Denn ich wusste, Valentin würde eines Tages zurückkehren. Ich wusste, er würde versuchen, die Macht an sich zu reißen und den Rat zu beherrschen. Und ich wusste auch, was er mir bieten konnte. Die Aufhebung meines Fluchs. Freiheit. Ein eigenes Leben. Einen Platz in der Welt. Ich hätte
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