Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
sie eine Weile angespannt am Esstisch gesessen hatte, hatte sie Luke ihre Sorge mitgeteilt, woraufhin dieser sich seinen Mantel übergeworfen hatte und zum Haus der Lightwoods gehastet war. Kurze Zeit später war er mit einem belustigten Lächeln auf den Lippen zurückgekehrt. »Simon geht es gut, Clary«, hatte er gesagt. »Geh schlafen.« Und dann war er zusammen mit Amatis zu einer weiteren endlosen Sitzung in der Abkommenshalle aufgebrochen. Clary fragte sich, ob inzwischen jemand die Überreste von Aldertrees weit verspritztem Blut beseitigt hatte.
Da sie nichts anderes zu tun hatte, war sie tatsächlich ins Bett gegangen, aber der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Immer wieder sah sie Valentin vor ihrem inneren Auge: Wie er dem Inquisitor in die Brust gegriffen und dann das Herz herausgerissen hatte. Wie er sich zu ihr umgedreht und hervorgestoßen hatte: »Wenn du wirklich alles wüsstest, würdest du jetzt den Mund halten. Wenn schon nicht zu deinem eigenen Wähle, dann wenigstens zum Wähle deines Bruders.« Doch am stärksten belasteten Clary die Geheimnisse, die sie von Ithuriel erfahren hatte - wie ein tonnenschweres Gewicht lagen sie auf ihrer Brust. Und unter all diese Sorgen mischte sich, wie ein steter Herzschlag, die unablässige Angst um ihre Mutter… dass sie sterben könnte. Wo, zum Teufel, steckte Mag-nus?
Plötzlich ertönte ein leises Rascheln hinter dem Vorhang und ein breiter Mondstrahl fiel durch das Fenster in den Raum. Ruckartig setzte Clary sich auf und tastete fieberhaft nach der Seraphklinge, die sie auf ihrem Nachttisch aufbewahrte.
»Keine Panik.« Eine Hand streckte sich ihr entgegen, eine schlanke, narbenübersäte, vertraute Hand. »Ich bin’s nur.«
Clary zog scharf die Luft ein, woraufhin die Hand verschwand. »Jace«, stieß Clary hervor. »Was machst du hier? Was ist passiert?«
Als Jace nicht sofort reagierte, drehte sie sich zu ihm hin und zog dabei die Bettdecke um sich herum. Sie spürte, wie sie errötete, da ihr siedend heiß bewusst wurde, dass sie nur eine Schlafanzughose und ein dünnes Trägerhemdchen trug. Doch dann sah sie den Ausdruck auf seinem Gesicht und ihre Verlegenheit schwand.
»Jace?«, flüsterte sie. Er stand am Kopfende des Bettes, noch immer in seiner weißen Trauerkleidung, und in der Art und Weise, wie er zu ihr hinunterschaute, lag nichts Leichtes oder Sarkastisches oder Distanziertes. Sein Gesicht war kreidebleich und seine Augen wirkten gehetzt und vor Anspannung fast schwarz. »Jace, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Clary besorgt.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte er mit einem benommenen Ausdruck im Gesicht, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht. »Eigentlich wollte ich gar nicht hierherkommen. Ich bin die ganze Nacht ziellos umhergewandert - ich konnte nicht schlafen. Und dann hab ich festgestellt, dass meine Füße mich immer wieder hierhergebracht haben. Zu dir.«
Clary setzte sich aufrechter und ließ die Bettdecke auf ihre Hüften sinken. »Warum kannst du nicht schlafen? Ist irgendetwas passiert?«, fragte sie und kam sich sofort ziemlich dumm vor. Was war schließlich nicht alles passiert?
Jace schien ihre Frage kaum wahrzunehmen. »Ich musste dich einfach sehen«, murmelte er, eher zu sich selbst. »Ich weiß, dass ich das nicht sollte. Aber ich konnte nicht anders.«
»Komm, setz dich«, sagte Clary und zog ihre Beine hoch, damit er sich auf der Bettkante niederlassen konnte. »Weil du mir nämlich Angst einjagst - so wie du da stehst. Bist du sicher, dass nichts passiert ist?«
»Ich hab nicht gesagt, dass nichts passiert sei.« Vorsichtig setzte er sich auf das Bett, das Gesicht ihr zugewandt. Er war nun so nahe, dass sie sich nur leicht hätte vorbeugen müssen, um ihn zu küssen …
Clary Herz schlug schneller. »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten? Schlechte Nachrichten? Ist alles … sind alle in Ordnung …?«
»Nein, keine schlechten Nachrichten und eigentlich auch gar keine Neuigkeit, sondern eher das Gegenteil … etwas, das ich schon immer gewusst habe und das du … das du wahrscheinlich ebenfalls weißt. Besonders gut hab ich es ja nicht verbergen können.« Seine Augen erfassten ihr Gesicht, tasteten langsam jeden Zentimeter ab, als wollte er sich ihre Züge gut einprägen. »Es ist etwas passiert«, sagte er gedehnt und zögerte einen Moment. »Mir ist nämlich etwas bewusst geworden.«
»Jace«, wisperte Clary und fürchtete sich plötzlich aus unerklärlichem Grund vor dem, was
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