Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
das Lichte Volk bezeichnet ihn als Spiegel der Träume und die Feenwesen trinken sogar sein Wasser, weil er ihnen angeblich Wahrträume schenkt. Aber für Schattenjäger stellt der Genuss des Seewassers eine große Gefahr dar. Es erzeugt Halluzinationen, Fieber … und es kann einen Menschen in den Wahnsinn treiben.«
Clary spürte, wie ihr eiskalt wurde. »Deshalb hast du also versucht, mich zum Würgen zu bringen … damit ich das Wasser ausspucke.«
Luke nickte. »Das ist auch der Grund, warum du deine Stele suchen solltest. Mit einer Heilrune könnten wir die Wirkung des Wassers abwehren. Aber ohne diese Hilfe müssen wir dich so schnell wie möglich nach Alicante schaffen. Es gibt ein Mittel gegen das Gift, einen Sud aus Krautern, und ich kenne jemanden, der diese Krauter mit großer Wahrscheinlichkeit in seinem Garten zieht.«
»Die Lightwoods?«
»Nein, nicht die Lightwoods«, erwiderte Luke mit fester Stimme. »Jemand anderes. Jemand, den ich kenne.«
»Und wer soll das sein?«
Doch Luke schüttelte den Kopf. »Lass uns nur hoffen, dass diese Person in den letzten fünfzehn Jahren nicht umgezogen ist.«
»Aber ich dachte, es wäre gegen das Gesetz, wenn ein Schattenweltler Alicante ohne Genehmigung betritt.«
Das Lächeln auf Lukes Gesicht erinnerte Clary plötzlich wieder an den Mann, der sie als Kind aufgefangen hatte, wenn sie vom Klettergerüst gefallen war, der Luke, der sie immer beschützt hatte. »Manche Gesetze müssen eben gebrochen werden.«
Das Haus der Familie Penhallow weckte bei Simon Erinnerungen an das Institut in New York - es verströmte die gleiche Atmosphäre, das Flair einer vergangenen Ära. Die engen Gänge und Treppen waren aus Stein und dunklem Holz gefertigt und aus den hohen, spitzen Fenstern boten sich immer wieder neue Ausblicke auf die Stadt. Dagegen zeigte die Gestaltung der Inneneinrichtung eine ausgeprägt asiatische Note: Auf dem Treppenabsatz im ersten Geschoss stand ein japanischer Shoji-Paravent, die Fensterbänke waren mit kostbaren chinesischen Vasen dekoriert und an den Wänden hingen mehrere Seidensiebdrucke, die offenbar Szenen aus der Sagenwelt der Schattenjäger darstellten, allerdings mit einem fernöstlichen Einschlag: Kriegsherren mit glühenden Seraphklingen neben farbenprächtigen, drachenartigen Kreaturen und sich schlängelnden, glupschäugigen Dämonen.
»Mrs Penhallow - Jia - hat früher das Institut in Peking geleitet. Heute verbringt sie die Hälfte des Jahres hier und die andere in der Verbotenen Stadt«, erklärte Isabelle, als Simon bewundernd vor einem Siebdruck stehen geblieben war. »Die Penhallows sind eine alte Schattenjägerfamilie. Und ziemlich wohlhabend.«
»Das seh ich«, murmelte Simon und schaute zu den schweren Lüstern hinauf, deren glitzernde Kristalle wie Tränen geformt waren.
Jace, der eine Stufe hinter ihnen ging, knurrte. »Vorwärts. Das ist hier keine Besichtigungstour.«
Simon erwog eine unhöfliche Antwort, beschloss dann aber, dass sich die Mühe nicht lohnte, und legte die restlichen Stufen im Eiltempo zurück. Die Treppe endete in einem großen Raum, einer seltsamen Mischung aus Altem und Neuem: ein Buntglasfenster, das zum Kanal hinausging, und leise Musik, die aus einer Stereoanlage rieselte, die Simon jedoch nirgends sehen konnte - genauso wenig wie ein Fernsehgerät, DVDs, CD-Stapel oder ähnliche Dinge, die er mit einer modernen Wohnzimmerausstattung in Verbindung brachte. Stattdessen gruppierten sich mehrere üppig gepolsterte Sofas um einen großen offenen Kamin, in dem ein warmes Feuer knisterte.
Alec stand am Kaminsims, in dunkle Schattenjägerkluft gekleidet, und streifte ein Paar schwarze Handschuhe über. Als Simon den Raum betrat, schaute er auf und zog wie üblich eine finstere Miene, sagte aber nichts.
Auf den Sofas saßen zwei Jugendliche, die Simon noch nie zuvor gesehen hatte - ein Junge und ein Mädchen. Das Mädchen sah aus, als hätte sie zumindest teilweise asiatische Vorfahren: zart geschnittene Mandelaugen, glänzende, zurückgekämmte dunkle Haare, ein schelmisches Lächeln und ein feines Kinn, das wie bei einer Katze spitz zulief. Sie war zwar nicht unbedingt das, was man eine Schönheit nannte, aber durchaus eine sehr bemerkenswerte Erscheinung.
Der schwarzhaarige Junge neben ihr hingegen war mehr als attraktiv. Er musste etwa Jace’ Statur haben, wirkte jedoch größer, selbst im Sitzen. Er war schlank und muskulös und besaß ein blasses, elegantes, ruheloses Gesicht, das
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