Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
Blut…«
»Es schmeckt wie Hühnchen«, sagte Simon, nur um sie zum Schweigen zu bringen.
»Tatsächlich?« Aline sah ihn erstaunt an.
»Er nimmt dich auf den Arm, Aline«, sagte Sebastian, »und dazu hat er auch allen Grund. Ich muss mich nochmals für meine Cousine entschuldigen, Simon. Diejenigen unter uns, die außerhalb von Idris erzogen wurden, sind in der Regel etwas besser mit Schattenweltlern vertraut.«
»Aber bist du denn nicht in Idris aufgewachsen?«, fragte Isabelle. »Ich dachte, deine Eltern …«
»Isabelle«, unterbrach Jace sie, doch es war schon zu spät - Sebastians Miene hatte sich bereits verdüstert.
»Meine Eltern sind tot«, sagte er. »Ein Dämonennest in der Nähe von Calais … Aber das ist schon okay, das liegt alles schon sehr lange zurück.« Er wischte Isabelles Beileidsbeteuerungen mit einer Handbewegung beiseite. »Meine Tante, die Schwester von Alines Vater, hat mich mit nach Paris genommen und im dortigen Institut aufgezogen.«
»Dann sprichst du also Französisch?«, seufzte Isabelle. »Ich wünschte, ich könnte eine andere Sprache sprechen. Aber Hodge hielt es nicht für erforderlich, uns etwas anderes beizubringen als Altgriechisch und Latein, und diese Sprachen spricht nun mal kein Mensch mehr.«
»Neben Französisch spreche ich auch Russisch und Italienisch. Und etwas Rumänisch«, erklärte Sebastian mit einem bescheidenen Lächeln. »Ich könnte dir ein paar Brocken beibringen …«
»Rumänisch? Das ist ja beeindruckend«, sagte Jace. »Nicht viele Leute sprechen diese Sprache.«
»Du vielleicht?«, fragte Sebastian interessiert nach.
»Nein, im Grunde nicht«, erwiderte Jace mit einem solch entwaffnenden Lächeln, dass Simon sofort wusste, dass er log. »Meine Rumänischkenntnisse beschränken sich auf ein paar nützliche Floskeln wie >Sind diese Schlangen giftig?< oder >Aber für eine Polizistin sehen Sie doch viel zu jung aus<.«
Doch Sebastian erwiderte Jace’ Lächeln nicht. Irgendetwas war merkwürdig an seinem Gesichtsausdruck, überlegte Simon. Die Gesichtszüge des Jungen wirkten mild - alles an ihm schien mild und sanft -, aber Simon hatte das untrügliche Gefühl, dass diese Sanftmut irgendetwas kaschierte, das seine äußerliche Gelassenheit Lügen strafte. »Ich reise zwar gern in andere Länder, aber es ist doch schön, wieder zurück zu sein, nicht wahr?«, sagte Sebastian nun, den Blick unverwandt auf Jace gerichtet.
Jace, der mit Alines Fingern gespielt hatte, hielt einen Moment inne. »Was meinst du damit?«
»Ach, ich meine lediglich, dass es nirgendwo sonst wie in Idris ist, selbst wenn wir Nephilim uns an anderen Orten häuslich einrichten. Bist du nicht auch meiner Meinung?«
»Warum fragst du das ausgerechnet mich?« Jace musterte ihn mit eisigem Blick.
Sebastian zuckte die Achseln. »Na ja, du hast doch als Kind hier gelebt oder nicht? Und es ist Jahre her, dass du hier gewesen bist. Oder habe ich das vielleicht falsch verstanden?«
»Nein, das hast du nicht falsch verstanden«, erwiderte Isabelle ungeduldig. »Jace tut gern so, als würden nicht alle über ihn reden, dabei weiß er genau, dass sie sehr wohl über ihn reden.«
»Natürlich tun sie das.« Obwohl Jace ihn wütend anstarrte, ließ Sebastian sich offenbar nicht aus der Ruhe bringen. Simon empfand eine gewisse Sympathie für den dunkelhaarigen Schattenjäger, auch wenn er es sich nur widerstrebend eingestand. Man traf selten auf jemanden, der auf Jace’ Spötteleien nicht einging. »Im Moment drehen sich sämtliche Gespräche in Idris nur um dieses Thema: um dich, die Insignien der Engel, deinen Vater, deine Schwester…«
»Clarissa sollte doch eigentlich mitkommen, oder nicht?«, fragte Aline. »Ich hatte mich schon so darauf gefreut, sie kennenzulernen. Was ist passiert?«
Obwohl Jace keine Miene verzog, nahm er die Hand von Alines Oberschenkel und ballte sie zur Faust. »Sie wollte New York nicht verlassen. Ihrer Mutter geht es nicht gut, sie liegt im Krankenhaus.« Er sagt nie unsere Mutter, dachte Simon. Immer nur ihre Mutter.
»Das ist ja merkwürdig«, warf Isabelle ein. »Und ich dachte, sie wollte unbedingt mitkommen.«
»Ja, das stimmt auch«, setzte Simon an. »Genau genommen …«
Doch Jace war bereits aufgesprungen, und zwar so schnell, dass Simon nicht einmal gesehen hatte, dass er sich bewegte. »Da fällt mir ein: Ich muss dringend etwas mit Simon besprechen. Unter vier Augen.« Mit einer ruckartigen Kopfbewegung deutete er auf die
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