Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
Stufen führten zu einer breiten Glastür, die von einem Keil offen gehalten wurde. Dahinter lag ein großzügiges Marmorfoyer, von dessen Decke ein gewaltiger, unbeleuchteter Kronleuchter hing. Für einen Menschen wäre es in der Eingangshalle viel zu dunkel gewesen, um auch nur einen Meter weit sehen zu können. Doch Simon erkannte eine Empfangstheke aus massivem Marmor, hinter der der Portier sitzen würde, eine grüne Chaiselongue unter einem vergoldeten Spiegel und auf beiden Seiten des Raums mehrere Aufzüge.
Maureen drückte auf einen Knopf, um einen der Aufzüge zu rufen, und zu Simons Überraschung leuchtete die Schalttafel tatsächlich auf.
»Wo wollen wir hin?«, fragte er.
Im nächsten Moment gab einer der Aufzüge ein dezentes Ping von sich, die Tür schwang auf und Maureen betrat die Kabine, dicht gefolgt von Simon. Das Innere der Aufzugskabine war in Gold und Rot gehalten und an drei Wänden mit elegant verzierten Spiegeln versehen. »Nach oben«, sagte Maureen und drückte kichernd auf den Knopf für die Dachterrasse. »Zum Himmel«, fügte sie hinzu, während sich die Tür schloss.
»Ich kann Simon nirgends finden.«
Isabelle, die gegen einen der Stahlpfeiler im Ironworks lehnte und nicht missmutig vor sich hin zu brüten versuchte, schaute hoch und sah Jordan vor sich aufragen. Er war wirklich ziemlich groß … mindestens ein Meter fünfundachtzig, überlegte sie. Mit seinen zerzausten dunklen Haaren und den grünbraunen Augen hatte sie ihn bereits bei ihrer ersten Begegnung für attraktiv gehalten — doch da sie inzwischen wusste, dass er Maias Ex war, hatte sie ihn resolut in ihre Schublade für Jungs gesteckt, die definitiv tabu waren. »Ich hab Simon auch nicht gesehen«, erwiderte sie nun. »Aber ich dachte, du solltest auf ihn aufpassen.«
»Er hat mir gesagt, er käme gleich wieder zurück. Das war vor vierzig Minuten. lch hab angenommen, er müsste mal zum Klo.«
»Was für eine Sorte von Leibwächter bist du eigentlich? Hättest du ihn nicht zur Toilette begleiten müssen?«, fragte Isabelle fordernd.
Jordan musterte sie entsetzt. »Männer gehen nicht mit anderen Männern zusammen aufs Klo«, stieß er hervor.
Isabelle seufzte. »Deine latente Homophobie ist ja fast schon niedlich«, sagte sie. »Komm schon, gehen wir ihn suchen.«
Gemeinsam umrundeten sie den Saal und zwängten sich zwischen den Gästen hindurch. In einer Ecke saß Alec allein an einem Tisch und spielte mit seinem leeren Sektglas. »Nein, ich hab Simon nicht gesehen«, beantwortete er Isabelles Frage. »Aber ehrlich gesagt, hab ich auch nicht nach ihm Ausschau gehalten.«
»Na, dann kannst du uns ja bei der Suche helfen«, erwiderte Isabelle. »Auf die Weise hast du wenigstens was zu tun, statt hier missmutig rumzusitzen.«
Achselzuckend schloss Alec sich ihnen an und die drei entschieden, sich aufzuteilen und an unterschiedlichen Orten zu suchen: Alec stieg nach oben auf die Galerie, Jordan marschierte zur Terrasse und zum Eingangsbereich und Isabelle übernahm den Saal. Sie überlegte gerade, ob ein Blick unter die Tische nicht zu lächerlich wäre, als Maia hinter ihr auftauchte.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie und schaute zu Alec hoch und dann in die Richtung, in die Jordan sich gewendet hatte. »Ich erkenne einen Suchtrupp, wenn ich einen sehe. Wonach haltet ihr denn Ausschau? Gibt es irgendwelchen Ärger?«
Rasch erzählte Isabelle ihr, worum es ging.
»Vor einer halben Stunde hab ich noch mit ihm geredet«, erklärte Maia.
»Genau wie Jordan, aber jetzt ist er verschwunden. Und da in den letzten Tage mehrere Leute versucht haben, ihn umzubringen …«
Maia stellte ihr Glas auf einem Tisch ab. »Ich helf euch suchen.«
»Das brauchst du nicht. Ich weiß doch, dass du im Moment nicht besonders gut auf Simon zu sprechen bist …«
»Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch helfen will, falls er in Schwierigkeiten steckt«, erwiderte Maia, als würde Isabelle sich nun wirklich zu albern verhalten. »Sollte Jordan nicht auf ihn aufpassen?«, hakte sie nach.
Genervt warf Isabelle die Hände in die Höhe. »Ja, schon, aber offensichtlich gehen Kerle nicht gemeinsam aufs Klo oder so, behauptet zumindest Jordan … Seine Erklärung hat jedenfalls keinen großen Sinn ergeben.«
»Das ist bei Männern doch eh nie der Fall«, erwiderte Maia und folgte ihr. Gemeinsam schlängelten sie sich durch die Menge, obwohl Isabelle bereits den starken Verdacht hegte, dass sie Simon nicht finden würden. Sie
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