Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
Krippen abschritt, von denen sie nun wusste, dass es sich tatsächlich um Särge handelte, überkam sie allmählich ein überwältigendes Gefühl der Angst. Sie konnte die Tatsache nicht länger ignorieren, dass der Anhänger um ihren Hals inzwischen grell und beständig leuchtete — jene Sorte von hellem Glühen, das sie normalerweise nur in Gegenwart eines Dämonenfürsten erwartet hätte.
Plötzlich erinnerte sie sich daran, was Clary in der Leichenhalle des Beth-lsrael-Hospitals erlebt hatte: Er hat wie ein ganz normales Baby ausgesehen. Bis auf die Hände. Sie waren zu kleinen Klauen zusammengekrümmt …
Vorsichtig griff Isabelle in eine der Krippen. Sie achtete sorgfältig darauf, den Säugling nicht zu berühren, während sie die dünne Decke beiseiteschob, in die er gewickelt war. Und stieß dann entsetzt die angehaltene Luft aus: Normale mollige Babyärmchen, runde Babyhandgelenke, weiche Babyhände — aber die Finger … die Finger waren zu Klauen gekrümmt, schwarz wie verbrannte Knochen, und mit kleinen, scharfen Krallen versehen. Unwillkürlich zuckte Isabelle zurück.
»Was ist los?« Maia kam auf sie zu. Die junge Werwölfin war zwar noch immer blass um die Nase, aber ihre Stimme klang wieder fest. »Was hast du gefunden?«, fragte sie, während Jordan ihr folgte, die Hände in den Taschen vergraben.
»Beim Erzengel!« Alec stand inzwischen neben Isabelle und schaute in die Krippe. »Ist das … ist das wie bei dem Säugling, von dem Clary dir erzählt hat? Das Baby im Beth-lsrael-Hospital?«
Isabelle nickte langsam. »Offenbar war das Findelkind keine Ausnahme. Irgendjemand versucht, noch mehr von diesen Wesen zu erschaffen … noch viel mehr Sebastians.«
»Aber warum sollte jemand weitere Exemplare von ihm wollen, ausgerechnet von ihm?«, schnaubte Alec hasserfüllt.
»Er war schnell und stark«, murmelte Isabelle. Es bereitete ihr fast körperliche Schmerzen, etwas Schmeichelhaftes über den jungen sagen zu müssen, der ihren kleinen Bruder getötet hatte und auch sie fast umgebracht hätte. »Ich schätze, irgendjemand versucht, eine neue Rasse von Superkriegern zu züchten.«
»Aber das Experiment ist fehlgeschlagen«, konstatierte Maia und schaute mit traurigen Augen auf die missbrauchten toten Babys.
Plötzlich nahm Isabelle ein leises, fast unhörbares Geräusch wahr. Sie riss den Kopf hoch und ihre Hand zuckte zum Gürtel, an dem ihre aufgerollte Peitsche hing. Irgendetwas bewegte sich in den dunklen Schatten nahe der Tür — nur eine winzige Regung, aber Isabelle war bereits herumgewirbelt und rannte in Richtung Ausgang, wo sie durch den Torbogen zurück in den Bereich vor den Aufzügen stürmte. Und tatsächlich: Hier war etwas — ein Schatten, der sich aus der umgebenden Dunkelheit gelöst hatte und sich entlang der nackten Granitwände vorwärtsbewegte. Isabelle beschleunigte ihre Schritte, warf sich auf die Gestalt und brachte sie zu Fall.
Zu Isabelles Überraschung handelte es sich nicht um einen Geist oder ein anderes Schattenwesen. Denn als sie in einem wirren Knäuel auf dem harten Boden auftrafen und über die Steinplatten rollten, stieß die schemenhafte Gestalt ein sehr menschliches Stöhnen aus. Dieser Flüchtling war definitiv ein Mensch, wie Isabelle einen Moment später erkannte: etwas schmächtiger und kleiner als sie selbst und in einen grauen Trainingsanzug gehüllt. Im nächsten Augenblick spürte sie, wie die Gestalt ihren spitzen Ellbogen hochriss und ihr gegen das Schlüsselbein schlug und ihr dann ein Knie in den Solarplexus rammte. Keuchend schnappte Isabelle nach Luft, warf sich zur Seite und tastete nach ihrer Peitsche. Als sie sie endlich aus ihrer Halterung gelöst hatte, war die Gestalt bereits aufgesprungen und versuchte zu fliehen. Doch Isabelle rollte sich blitzschnell auf den Bauch und ließ die Peitsche vorwärtsschnellen. Das Ende der Peitschenschnur wickelte sich um ein Fußgelenk des Fremden und zog sich fest zusammen. Mit einem Ruck riss Isabelle die Gestalt von den Füßen.
Dann rappelte sie sich auf, griff mit der freien Hand nach ihrer Stele, die vorn in ihrem Kleid steckte, und vervollständigte mit einer schnellen Handbewegung das Nyx-Runenmal auf ihrem linken Arm. Als die Nachtsicht-Rune ihre Wirkung entfaltete, verbesserte sich ihr Sehvermögen schlagartig und der Raum schien sich mit Licht zu füllen. Nun konnte sie auch den Angreifer besser erkennen: eine dürre Gestalt in einem grauen Jogginganzug und mit grauen Turnschuhen, die
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