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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Berg ging es. Niemals hätte Oskar geglaubt, dass das Netzwerk aus Stollen und Gängen so riesig wäre. Ständig trafen sie auf Abzweigungen, an denen sie entscheiden mussten, in welche Richtung es gehen sollte. Das Dumme war, dass dies nicht nur die Entscheidung zwischen rechts und links, sondern auch zwischen oben und unten bedeuten konnte, denn die Insekten waren durchaus in der Lage, an der Decke zu laufen.
    Doch Valkrys schien den richtigen Riecher gehabt zu haben. Der Gang, den sie entlangrannten, wurde zunehmend breiter und belebter. Oskar kam sich vor wie auf einer befahrenen Hauptstraße.
    Dutzende von Insekten rannten kreuz und quer an ihnen vorbei, schenkten ihnen jedoch keine weitere Beachtung. Verblüfft stellte er fest, dass es außer den monströsen Kriegern und den kleineren Spähern noch eine andere Art gab. Oskar taufte sie im Geiste die »Diener«. Ungepanzerte, emsig hin und her huschende Drohnen von der Größe ausgewachsener Schäferhunde, nur dass sie wesentlich dicker waren. Sie schienen die Arbeiter hier im Bau zu sein und wirkten bei Weitem am ungefährlichsten.
    Je weiter sie kamen, desto mehr wurden es. Bald wimmelte der ganze Boden um sie herum von kleinen braunen Körpern.
    »Ich glaube, wir nähern uns langsam dem Herzen des Baus«, sagte Humboldt, der sich mit großen Schritten seinen Weg durch die braune Flut bahnte. Er hielt seine Fackel nach oben. Tatsächlich. Etwa zwanzig Meter voraus verbreiterte sich der Tunnel und mündete in eine Höhle unvorstellbaren Ausmaßes. Sie war so groß, dass das Licht der Fackeln ihre entfernten Ecken und Winkel nicht auszuleuchten vermochte. Ein betäubender Geruch nach Rosenöl schlug ihnen entgegen. In der Mitte der Höhle lag eine gewaltige, unförmige Masse, die sich langsam hob und senkte.
    Die Königin.
    Oskar musste einen Würgereiz unterdrücken. Die Königin der Ukhu Pacha war monströs. Sie wirkte wie der Lindwurm aus alten Rittergeschichten. Ihre vordere Hälfte ähnelte dem Körper der Kriegerinsekten, nur dass sie noch um ein Vielfaches größer war. Der Hinterleib war ein riesiger, gelblich schimmernder Sack, der sich bis in den entfernteren Teil der Höhle erstreckte. Dorthin, wo das Gewimmel der Dienerinsekten am größten war. Dort lag unverkennbar die Brutstätte des Baus. Der prall mit Eiern gefüllte Leib hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Ein tiefes Schnaufen erfüllte die Höhle.
    »Sie schläft«, flüsterte Humboldt und deutete auf die geschlossenen Augen.
    »Seht mal. Da vor ihr.« Valkrys wies auf eine Ansammlung weißer Kokons, die vor dem Kopf der Königin zu einem kleinen Haufen aufgestapelt lagen. »Sind das Eier?«
    »Nein.« Eliza deutete auf einen Schuh, der aus einem der Ballen herausragte. Er war aus Leder gefertigt und mit farbigen Applikationen versehen. Der Schuh eines Inka. Oskar wich zurück und trat dabei auf etwas, das unter seinen Schuhen zerbrach. Er blickte nach unten. »Oh Gott, seht euch mal um«, keuchte er. Der Boden um sie herum war mit Schädeln und Knochen übersät. Ein weißes Bett des Todes.
    »Menschenknochen«, flüsterte er.
    Humboldt nickte. »Nahrung für die Königin. Jetzt wissen wir, was in den Kokons ist.« Grimmig starrte er zu den weißen Hüllen hinüber. »Wenn wir Charlotte finden wollen, dann hier. Valkrys, du kommst mit mir. Wir werden das Biest in Schach halten. Oskar, du durchsuchst inzwischen die Kokons. Es kann gut sein, dass Charlotte sich in einem von ihnen befindet.«
    Oskar schluckte seine Angst hinunter und ging auf die Königin zu. Ihr riesiger Leib ragte vor ihm in die Höhe. Misstrauisch blickte er sich um. In der Halle befanden sich nur Dienerinsekten. Keine Spur von den schnellen Scouts und den gewaltigen Kriegern. Offenbar war dieser Bereich für sie verboten. Die einzige Bedrohung ging von der Königin aus und die befand sich im Tiefschlaf.
    Noch.
    So leise wie möglich, ohne auf einen der Knochen zu treten, näherte er sich dem monströsen Insekt. Je näher er kam, desto deutlicher wurde, dass der betäubende Rosenölduft von ihr ausging. Er stieg ihm zu Kopf und benebelte seine Sinne. Eine plötzliche Müdigkeit überkam ihn. Er musste sich zwingen, nicht lauthals zu gähnen.
    Die Kokons schienen sich im Schein der Fackeln zu bewegen. Irrte er sich oder schwankten sie tatsächlich hin und her? Hoffnung überkam ihn. Vielleicht lebten die Menschen in ihren seidigen Hüllen noch. Vielleicht waren sie nur betäubt und schliefen, während sie von schweren

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