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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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fragte Oskar, der zu gerne auch einen Blick durch die Lupe geworfen hätte.
    »Da Vinci«, hauchte der Wissenschaftler. »Francesco da Vinci.«
    »Wer ist denn das?«, fragte Charlotte. »Ich kenne nur Leonardo da Vinci.«
    »Francesco ist ein entfernter Verwandter«, sagte Humboldt. »Er lebte etwa fünfzig Jahre später, ging aber einige Jahre bei dem großen Meister in die Lehre, als dieser schon sehr alt war. Es ist bekannt, dass er die Expedition des Pizarro begleitete. Seither gilt er als verschollen. Wie es scheint, wissen wir jetzt, was aus ihm geworden ist.« Er deutete auf die Gravur. »Er hat sogar in Spiegelschrift unterschrieben, genau wie sein großes Vorbild.«
    »Wollt ihr Francescos Vermächtnis einmal aus der Nähe betrachten?«
    »Sie meinen …?«
    Yupan nickte. »Die Hurakan ist startbereit und wird euch sicher bis zu eurem Bestimmungsort tragen.«
    Humboldt runzelte die Stirn. »Bestimmungsort? Wovon reden Sie?«
    »Von der Prophezeiung natürlich.« Der Priester blickte sie überrascht an. »Wollt ihr denn gar nicht wissen, warum ich euch das alles zeige? Ihr müsst vorbereitet sein, damit ihr eurem Schicksal gegenübertreten könnt.«
    Aha, dachte Oskar. Jetzt kommts …
    »Was für ein Ort?«, fragte Humboldt. »Von was für einem Schicksal sprechen Sie?«
    »Der Ort liegt weit draußen in der Wüste«, sagte der Priester. »Etwa eine halbe Tagereise von hier. Ihr müsst ihn mit eigenen Augen sehen. Es ist der Ort, an dem die Götter einst auf die Erde kamen. Ein heiliger Ort. Wir nennen ihn Nazca.«

39
     
     
    Die Sonne stand bereits im Zenit, als die Motoren gestartet wurden. Langsam tuckernd begannen sich die Propeller zu drehen. Das Geräusch sich öffnender und schließender Ventile war zu hören, dann das Schwirren von Achsen und das Knacken von Getrieben. Der Ballon über ihren Köpfen schwoll an. Unmerklich erst, dann immer schneller begann sich der Auftriebskörper mit Gas zu füllen. Seile und Haltetaue dehnten sich und gaben dabei ächzende Laute von sich. Der Bootskörper erwachte wie ein urzeitliches Ungetüm nach einem langen Winterschlaf. Kleine Stöße liefen vom Bug bis zum Heck, während die Planken auf dem Oberdeck leise vibrierten. Immer stärker spürte man, dass der hölzerne Drache sich endlich in die Luft erheben wollte.
    Die Hurakan war ein prachtvolles Schiff, größer als alles, was Oskar bisher zu sehen bekommen hatte. Vom Bug bis zum Heck maß sie etwa zwanzig Meter. Ihre Motoren waren an zwei auseinanderliegenden Trägern befestigt, über die durch dünne Rohrleitungen Wasserstoff und Sauerstoff gelangten. In ihnen wurden diese beiden Produkte durch einen kompliziert klingenden chemischen Prozess in elektrische Energie umgewandelt, genau wie Humboldt ihnen in der Höhle des Wissens erklärt hatte. Es war aber etwas ganz anderes, die Anlage in Betrieb zu sehen. Der Forscher war ganz in seinem Element.
    Oskar hingegen interessierte sich mehr für die Steuerung. Die Motorgondeln waren frei beweglich aufgehängt und konnten mittels Seilzügen in jede erdenkliche Richtung gelenkt werden. Also auch nach oben oder unten, was Start und Landung erheblich beschleunigte. Das Schiff war mit acht Mann besetzt und stieg zum Heck hin an, sodass der Kapitän – ein stämmiger, mit den Insignien seines Standes geschmückter Mann – zu allen Seiten freie Sicht hatte. Über ihnen schwebte der Auftriebskörper, eine gewaltige Zigarre aus Stoff und Zwirn. Die gesamte Außenhaut war mit blauen Markierungen verziert, aus denen besonders das Symbol eines Wals hervorstach.
    Oskar und Charlotte standen vorn am Bug und beobachteten, wie Seile entrollt und Knoten gelöst wurden. Der hölzerne Steg, über den sie an Bord gelangt waren, wurde zurückgezogen und die versammelten Menschen begaben sich in sichere Entfernung.
    Dann war es so weit. Die Rotoren wurden nach unten geschwenkt, die Drosselklappen geöffnet und die Treibstoffzufuhr hochgefahren. Mit einem ohrenbetäubenden Dröhnen nahmen die Motoren ihre Arbeit auf. Die Propeller drehten sich immer schneller, während sie die Luft in einem künstlichen Sturm nach unten bliesen.
    Und dann …
    langsam …
    majestätisch … stieg die Hurakan in die Höhe. Ihr Schatten fiel wie eine Gewitterwolke auf die unter ihnen liegende Stadt.
    Als das Schiff genügend Höhe erreicht hatte, schwenkten die Motoren in eine horizontale Position und bewegten es vorwärts. Oskar konnte sehen, wie die Landeplattform unter ihnen immer kleiner wurde.

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