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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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so alt sein musste wie die ägyptische. Vielleicht sogar noch älter.
    Dass sie immer noch existierte, verdankte sie einzig und allein der Fähigkeit ihrer Bewohner, sich vor den Augen der Welt zu verbergen.
    »Seht mal«, sagte Charlotte, die schon ein paar Meter weitergegangen war. »Diese Darstellung hier ist sehr interessant. Können Sie uns erklären, was darauf abgebildet ist, Yupan?«
    »Das ist vermutlich der Grund, warum man uns den Namen Regenfresser gegeben hat«, erläuterte der Hohepriester. »Die Bilder zeigen unsere Luftschiffer beim Einfangen von Dampf und Wolken. Diese sind unser Lebenselixier. Ihnen verdanken wir es, dass wir uns in die Lüfte erheben und auf dem Wind dahingleiten können.«
    Oskar runzelte die Stirn. »Ein Lebenselixier, das aus Dampf und Wolken besteht? Wie das?«
    Humboldt hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er sah so aus, als hätte er einen Verdacht. »Könnte es sein, dass Sie ein bestimmtes Gas herstellen?«
    »Ganz recht.« Die Augen des Priesters leuchteten vor Freude. »In unserer Sprache heißt es: Der Atem des Windes.«
    »Oh, das ist genial«, sagte Humboldt. »Das ist wirklich genial. Wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen?«
    »Worauf denn?« Oskar hatte keine Ahnung, wovon der Forscher da sprach. Er kam sich schrecklich dumm vor.
    »Es passt alles zusammen«, sagte Humboldt. »Die Sonnenkollektoren, die Druckflaschen, die Schläuche, die fliegenden Schiffe und die Auftriebskörper. Wasserstoff. Sie stellen Wasserstoff her.«
    »Wasserstoff?« Charlotte blickte skeptisch. »Ich gebe zu, ich bin kein Fachmann auf dem Gebiet, aber im Chemieunterricht haben wir gelernt, dass die Gewinnung sehr schwierig sein soll.«
    »Schwierig und gefährlich, das ist richtig.« Humboldt nickte. »Und trotzdem haben sie es geschafft. Seht her.« Er deutete auf die Abbildung. »Wasserstoff ist leichter als Luft. Es verschafft ihren Schiffen den nötigen Auftrieb und ist obendrein leicht brennbar. Seine chemische Energie lässt sich in einer sogenannten Brennstoffzelle in elektrische Energie umwandeln. Es könnte also auch Motoren antreiben. Das Prinzip wurde 1838 von Christian Friedrich Schönbein entwickelt, aber wie es scheint, ist es schon viel älter. Vermutlich basiert die gesamte Zivilisation dieses Volkes auf der Nutzung von Wasserstoff und Sauerstoff, den beiden Zerfallsprodukten des Wassers.«
    »Daher also der Name«, ergänzte Charlotte. »Regenfresser. Ihre Schiffe sammeln das Wasser in Wolken, um daraus Treibstoff herzustellen. Kein Wunder, dass das Land darunter in Trockenheit versinkt. Es ist einfach nicht mehr genug da, dass es regnen könnte.«
    »Motoren, Lampen, Pumpen, praktisch alles lässt sich damit antreiben.« Humboldt war ganz in seinem Element. »Es ist geruchlos und ungiftig und hinterlässt als Abfallprodukt etwas, das wir alle zum Leben brauchen: Wasser. Womit sich der Kreis wieder schließt. Eine Frage ist allerdings noch immer ungelöst.«
    »Welche?« Der Priester hielt den Kopf leicht geneigt.
    »Woher stammt die Idee? Was hat Ihr Volk auf den Gedanken gebracht, Flugmaschinen zu bauen? Eine solche Kunstfertigkeit kann nicht von heute auf morgen entstehen. Sie bedarf langer Jahre der Vorbereitung. Jahre des Testens und der Erprobung. Den Steingravuren zufolge lebte das Himmelsvolk lange Zeit ohne das Wissen um den Flug. Und dann, auf einmal war es da.« Er deutete auf die Periode zwischen den älteren und den jüngeren Darstellungen. Hier war eine Art Zeitenwende eingezeichnet.
    Yupans Lächeln wurde eine Spur breiter. »Ihr habt ein schnelles Auge, Tayta Humboldt«, sagte er. »Das Wissen um den Flug wurde uns tatsächlich von einem Fremden gebracht. Es hängt mit der Eroberung des Inkareiches durch Pizarro zusammen. In seinem Gefolge befand sich ein Mann – ein weiser Mann, so wie Ihr einer seid –, der den Gräueln und dem Morden nicht weiter tatenlos zusehen konnte. Er verliebte sich in eine von uns und floh mit uns aus der Burg Vilcabamba hierher nach Xi’mal. In seinem Gepäck trug er eine Menge seltsamer Zeichnungen. Konstruktionszeichnungen, die auf den Entwürfen eines Verwandten von ihm beruhten. Er hat sie hier in die Felswand eingeritzt. Seht selbst.«
    Die Abenteurer traten näher und warfen einen Blick auf die winzig kleinen Buchstaben, die neben einer der detaillierten Konstruktionszeichnungen zu lesen waren. Humboldt zog seine Lupe hervor. »Großer Gott«, flüsterte er. »Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Was denn?«,

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