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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Ihr schwaches Leuchten bildete die einzige Orientierungshilfe in den endlosen Weiten dieses dunklen Reiches.
    Oskar lenkte den Roboter einen schmalen Hügelkamm hinauf. Er musste sein Gewicht nach vorne verlagern, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Die Drohne verfügte zwar über einen recht sicheren Stand, aber wenn man sich dumm anstellte, konnte sie umfallen. Und es gehörte einiges an Kraft und Geschicklichkeit dazu, eine gestrauchelte Lasteneinheit wieder auf die Füße zu stellen.
    Oskar hatte die Hälfte des Hanges zurückgelegt, als er hinter dem Grat ein Licht bemerkte. Sein Herz klopfte vor Freude. Konnte es sein, dass sie den Palast bereits erreicht hatten? Wenn ja, dann waren sie schneller vorangekommen, als erwartet.
    Er verdoppelte seine Anstrengung und legte die letzten Meter im Eiltempo zurück.
    Oben angekommen, musste er erst mal eine Pause einlegen. Keuchend und schnaufend versuchte er, einen Überblick zu gewinnen. Die Lichter, die er sah, stammten nicht vom Palast, so viel war klar. Das Gebäude lag zu ihrer Linken und war noch ein ganzes Stück von ihnen entfernt. Aber was war es dann? Die Scheinwerfer stammten aus einer Quelle, die auf sie zuzukommen schien. Sie waren in ständiger Bewegung und wurden dabei stetig größer. Oskar blickte Hilfe suchend zu Humboldt, doch der Forscher schüttelte nur den Kopf. Das Gegenlicht machte es unmöglich, Details zu erkennen.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich eine Form aus dem Dunkel schälte. Oskar erkannte ein Paar breite Schultern, lange Arme und turmhohe Beine. Gekrönt wurde das Ganze von einem kantigen abgeflachten Schädel.
    Oskar erschrak. »Himmel, es ist der Golem!«
    Jetzt konnte er auch das breite Maul erkennen. Die zahnbewehrten Kiefer waren ihm in Erinnerung geblieben.
    Der Golem hatte sie gesehen. Er war stehen geblieben und beobachtete sie. Oskar tropfte der Schweiß von der Stirn.
    »Was soll ich denn jetzt machen?«
    »Weitergehen, einfach weitergehen«, drängte Humboldt. »Beweg dich möglichst unauffällig. Tu so, als wärst du eine ganz normale Maschine.«
    Oskar setzte die Lasteneinheit wieder in Gang. Wie bewegte sich eine ganz normale Maschine? Er versuchte, den Gang der Wachdrohnen zu imitieren, war aber nicht sicher, ob er das auch hinbekam. Der Golem stand immer noch da und schaute zu ihnen herüber. Das Monstrum übte eine geradezu lähmende Wirkung auf ihn aus.
    Schritt für Schritt stapfte Oskar den Hügel hinunter. Er schlug dabei eine leichte Kurve ein, die ihn in einem Abstand von vielleicht fünfzig Metern um den Golem herumführte.
    Je näher sie kamen, desto riesiger wirkte der Roboter. Im Vergleich zu ihm war ihre Lasteneinheit nur ein Zwerg.
    Oskar hatte das Monstrum beinahe umrundet, als es geschah. Der Golem hob seine Arme und stieß einen Laut aus, der wie das Nebelhorn eines riesigen Hochseedampfers klang.
    »Er hat uns entdeckt!«, schrie Humboldt. »Schnell. Tritt in die Pedale!« Der Forscher blickte durch das kleine Rückfenster hinaus. »Verdammt, er hat gewendet und kommt hinter uns her. Schneller, lauf schneller!«
    Oskar spürte Panik in sich aufsteigen. Er konnte fühlen, wie der Boden bebte. Mit aller Kraft trat er in die Pedale und beschleunigte die Lasteneinheit auf Höchstgeschwindigkeit. Schon bald merkte er, dass die Maschine nicht für solche Geschwindigkeiten ausgelegt war. Die Gelenke ächzten und quietschten, während die rostigen Zahnräder versuchten, der plötzlichen Belastung standzuhalten. Der Wasserdruck wurde immer größer. Es war, als wolle das Meer verhindern, dass sie entkamen.
    »Er holt auf«, rief Humboldt. »Geht das nicht schneller?«
    »Wie weit ist er entfernt?«, keuchte Oskar.
    »Vielleicht noch etwa hundert Meter, aber er holt auf.«
    Oskar presste die Lippen zusammen und versuchte, noch einen Zahn zuzulegen. In einem Anflug von Verzweiflung versuchte er zu springen. Er drückte sich mit einem Bein vom Boden ab und zog das andere nach. Die Drohne segelte durch das Wasser und landete ein paar Meter weiter auf dem Grund. Schlamm und Geröll wurden in die Höhe gewirbelt. Oskar strauchelte und taumelte, doch wie durch ein Wunder gelang es ihm, die Maschine in der Vertikalen zu halten. Noch einmal drückte er sich ab, diesmal mit dem anderen Bein. Es funktionierte. Wie einen Springteufel katapultierte Oskar den tonnenschweren Roboter über den Meeresboden, immer auf der Flucht vor dem Golem. Für eine Weile sah es so aus, als würden sie ihm tatsächlich entkommen.

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