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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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kleinen Glasscheiben in der Brustverkleidung sah Oskar, wie das Wasser in den Raum strömte. Es gurgelte und rauschte, dann begann es zu steigen. Erst über die massigen Stahlfüße des Roboters, dann bis zu dessen Knien, über den Unterleib, bis hinauf zur Brust. Dann stieg es über die Sichtscheiben.
    Wenige Minuten später war der Raum geflutet und das Schott bereit zum Öffnen. Humboldt, der über Oskars Schultern saß, war für die Bedienung der Arme zuständig. Er drehte an dem mächtigen Rad, das die Außenluke öffnete. Ein durchdringendes Knacken war zu hören, dann schwang die Luke nach außen auf. Die Scheinwerfer der Station beleuchteten den Meeresgrund. Oskar setzte den Koloss in Bewegung. Seine Beine steckten in zwei Stahlschienen, die mit Ledergurten zusammengehalten wurden und an den Knien mit Gelenken ausgestattet waren. Jede seiner Bewegung wurde eins zu eins auf den Automaten übertragen. Hob er den rechten Fuß, hob auch der Roboter seinen rechten Fuß. Es war ein komisches Gefühl, ein Fahrzeug auf diese Weise zu steuern. Fast so, als würde man losgelöst vom eigenen Körper existieren. Er schob den rechten Fuß nach vorne und setzte ihn ab. Dann hob er den linken und immer so weiter. Der Roboter begann, in die Nacht hinauszumarschieren. Das Licht der Station reichte etwa dreißig Meter voraus, dann wurde es dunkel.
    »Hast du eine Ahnung, welcher Knopf für die Außenlampen zuständig ist?« Humboldt blickte ratlos auf die Instrumententafeln.
    »Ich glaube, dieser hier.« Oskar deutete auf den mittleren einer Reihe schwach glimmender Druckknöpfe, mit denen die Außenfunktionen des Roboters gesteuert wurden.
    »Bist du sicher?«
    »Nicht hundertprozentig, aber einigermaßen.«
    »Ach, was soll’s. Versuchen wir es.« Der Forscher drückte den Knopf. Sofort flammten die Scheinwerfer auf. Die Dunkelheit wurde von zwei hellen Lichtstrahlen zerschnitten.
    »Gut, dass ich dich an Bord habe«, sagte der Forscher. »Ich könnte mir im Leben nicht die vielen Funktionen merken.« Er klopfte Oskar auf die Schulter. »Und jetzt marsch! Daron erwartet uns.«
    Oskar trat in die Pedalen. Die Scharniere ächzten und quietschten. Vermutlich waren sie seit Jahren nicht geölt worden. Warum auch? Nachdem Daron die Kontrolle übernommen hatte, war es nicht mehr notwendig gewesen, das Cockpit zu pflegen. Schließlich war nicht vorgesehen, dass je wieder ein Mensch diesen Apparat steuerte.
    Oskar hatte etwa hundert Meter zurückgelegt, als er das erste Mal eine Pause einlegte. Die ungewohnte Bewegung, die schlechte Luft und das fremde Medium machten ihm zu schaffen. Er spürte den Widerstand, den das Wasser ihm entgegensetzte.
    »Alles in Ordnung, mein Junge?« Humboldt blickte besorgt zu ihm herab. »Vielleicht hätte ich besser die Beinkontrolle übernehmen sollen.«
    »Nein, es geht schon«, keuchte Oskar schweißgebadet. »Mir fehlt bloß die Übung. Die Bewegung ist recht gewöhnungsbedürftig. Wenn nur die Luft hier drinnen nicht so stickig wäre!«
    »Daran kann ich vielleicht etwas ändern.« Der Forscher lehnte sich vor und drehte an der Justierung für die Druckluftflaschen. Es zischte, dann schlug ein Schwall frischer Luft in Oskars Gesicht. »Ist es jetzt besser«, erkundigte sich Humboldt.
    »Schon viel besser«, sagte er und setzte sich wieder in Bewegung. »Was haben Sie gemacht?«
    »Nur den Anteil des Sauerstoffs ein wenig erhöht. Die Geräte hier sind alle nicht mehr richtig justiert. Warum auch?
    Aber wir sollten dankbar sein, dass wir überhaupt eine Möglichkeit gefunden haben, uns von Ort zu Ort zu bewegen. Ich bin sicher, dass unser Verschwinden mittlerweile bemerkt worden ist. Da drinnen ist jetzt sicher die Hölle los.« Er deutete nach hinten.

 
57
     
     
    Einsam stapfte der bemannte Roboter über die endlosen Weiten des Meeresbodens. Seine Lichter blinkten wie ein Leuchtturm in einer stürmischen Nacht.
    Oskar fühlte die bedrückende Einsamkeit, die sie umgab. Die Lichter ihrer Wohnkuppel waren längst in der Ferne verschwunden und von dem Palast war noch nichts zu sehen. Um sie herum herrschte immerwährende Nacht. Hin und wieder kam ein einzelner Fisch in ihre Nähe, schwamm neugierig durch die Kegel der Scheinwerfer und verschwand dann wieder. Quallen und andere Meereslebewesen kreuzten ihren Weg, huschten aber davon, wenn die Drohne ihnen zu nahe kam. In einiger Entfernung sah Oskar die Positionslichter der Druckluftbahn schimmern. Wie glitzernde Perlen schwebten sie im Wasser.

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