Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon
es doch ein guter Anlaufpunkt für weitere Nachforschungen.«
»Warum nehmen wir nicht den Zug?«, schlug Charlotte vor. »Wir könnten die beiden Herren begleiten und bei der Gelegenheit noch mehr Informationen einholen.«
»Im Prinzip wäre dagegen nichts einzuwenden, aber es gibt einen Grund, warum ich lieber per Luftschiff reisen möchte.«
»So? Welchen denn?«
»Ich glaube, dass es das Beste ist, wenn wir vor ihnen in Athen sind. Nikomedes hat eine Andeutung gemacht, die mich stutzig werden ließ. Er sagte, unsere Nachforschungen könnten nicht überall auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Was er damit genau meinte, habe ich nicht herausbekommen, aber es hat gereicht, um bei mir die Alarmglocken schrillen zu lassen.« Humboldt warf ihnen einen ernsten Blick zu. »Es ist gut möglich, dass die beiden überwacht werden. Es wäre also ganz hilfreich, wenn wir unsere Untersuchungen schon abgeschlossen hätten, ehe sie wieder in Athen eintreffen.« Er fuhr mit dem Finger über die Karte. »Um unentdeckt zu bleiben, werden wir nachts und über unbebautes Gebiet fliegen. Zuerst geht es über die Alpen, dann ab nach Triest, über die Adria und runter bis nach Griechenland.« Sein Finger beschrieb eine Linie quer über den Plan. »Wenn wir über den Golf von Korinth manövrieren, können wir uns Athen ungesehen bis auf wenige Kilometer nähern. Ich habe vor, die Pachacútec irgendwo in den Hügeln hinter Chaidari zu landen, einem kleinen Dorf in den Hügeln außerhalb Athens. Es gibt dort ein entlegenes Tal, wo man unser Schiff nicht finden wird. Von dort aus mieten wir uns eine Kutsche und fahren nach Athen. Es ist eine großartige Stadt, sie wird euch gefallen.«
Eliza warf Humboldt einen skeptischen Blick zu. »Hast du keine Angst, dass jemand das Schiff findet und damit davonfliegt?«
»Ich kenne die Gegend von früheren Reisen«, erwiderte der Forscher. »Sie ist absolut menschenleer. Aber selbst wenn sich mal ein einsamer Hirte dorthin verirren sollte, die Pachacútec ist mit einigen technischen Neuerungen ausgestattet, die jeden Dieb in die Flucht schlagen würden. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.«
Oskar blieb skeptisch. Wenn ihn das Leben eines gelehrt hatte, dann das: Wenn etwas schiefgehen konnte, ging es in den meisten Fällen auch schief. Diese Einstellung hatte ihm schon oft das Leben gerettet. Er wagte aber nicht darüber nachzudenken, was das in ihrem speziellen Fall wohl bedeuten mochte.
»Keine Fragen mehr? Gut.« Der Forscher klatschte in die Hände. »Ich denke, dann wäre wohl alles besprochen. Morgen früh geht’s los. Ich muss gestehen, ich kann es kaum erwarten, endlich wieder einmal Griechenland besuchen zu dürfen. Die sanften Hügel, die Zypressen und der Wein …«, er warf Eliza ein Lächeln zu. »Wir haben bis dahin allerdings noch einiges zu erledigen. Eliza, du bist wie immer für den Proviant zuständig, ich selbst werde die Geräte packen und ihr beiden solltet auf den Dachboden gehen und die Koffer holen. Zack, zack, wir haben keine Zeit zu verlieren!«
7
Es ging bereits auf vier Uhr zu, als Oskar und Charlotte die Tür zum Dachboden erreichten. Der Eingang lag nicht weit von Charlottes Zimmer entfernt, aber Oskar hatte ihn noch nie bemerkt, weil er gut versteckt war. Er war nur über eine herausziehbare Holzleiter zu erreichen, die beinahe unsichtbar in die Decke eingelassen war.
»Da wären wir«, sagte Charlotte. »Kannst du mal kurz die Lampe halten?« Sie nahm einen Holzstab mit einem Metallhaken von der Wand, hängte ihn in den Ring am unteren Ende der Luke und zog daran. Die an Federn aufgehängte Ausziehleiter kam ihnen entgegen und Charlotte ließ sie am Boden einrasten. »Vergiss Wilma nicht.« Der kleine Vogel saß in seinem Körbchen und blickte erwartungsvoll zu den beiden Jugendlichen hoch. Er hatte unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er bei der Exkursion dabei sein wollte, und da er die Treppe nie alleine hochgekommen wäre, war das die praktikabelste Lösung.
»Warst du schon mal hier oben?« Oskar gab Charlotte die Lampe zurück und nahm stattdessen das Körbchen.
»Ist schon eine ganze Weile her«, sagte sie, während sie nach oben kletterte. »Das erste Mal war ich etwa vier oder fünf Jahre alt. Meine Eltern hatten mich auf einen Sonntagnachmittagsbesuch mitgenommen und ich habe mich fürchterlich gelangweilt. Ich weiß noch, wie mein Onkel mich an die Hand genommen und hier hinaufgeführt hat. Seitdem war ich von diesem
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