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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Meister. »Herr von Humboldt, ich glaube, hier stimmt etwas nicht.«
    Der Forscher eilte sofort herbei. »Was ist los?«
    Als er sah, wie es um Eliza bestellt war, zog er Hut und Mantel aus und drückte Oskar beides in die Hand. »Hier, halt mal.« Er kniete sich vor seine Begleiterin.
    »Hat sie wieder eine Vision?«
    »Ich glaube ja. Eliza, kannst du mich hören?«
    Ein zaghaftes Nicken war die Antwort.
    »Was siehst du? Wen siehst du?«
    Eliza öffnete den Mund. Ihre Augen waren in weite Ferne gerichtet. »Er ist es«, flüsterte sie. »Der Mann aus Athen. Er ist groß und hager. Er trägt einen Hut und er ist bewaffnet.«
    »Was sagst du da?« Humboldt packte Elizas Arm. »Wo? Wo ist er?«
    »Ich … ich weiß nicht.«
    Oskar blickte sich gehetzt um. Die Plattform war gesäumt mit Menschen. Er selbst hatte den Mann nie zu Gesicht bekommen, aber er versuchte, jemanden zu finden, auf den die Beschreibung Elizas zutraf. Groß, hager und mit Hut. Doch alles, was er sah, waren dickbäuchige Familienväter, matronenhafte Damen und lärmende Kinder. Nicht einer von den Besuchern war größer als er selbst. »Ich kann nichts erkennen«, sagte er. »Wo soll er sein? Kannst du uns nicht einen Hinweis geben?«
    Eliza presste die Augen zusammen. »Bilder«, flüsterte sie.
    »Bilder?« Oskar verstand nicht.
    Sie nickte. »Bunte Flächen mit Bäumen und Blumen … Farben! Rot und Weiß.«
    Rot und Weiß? Bilder? Was konnte sie meinen?
    Oskar stellte sich auf einen Metallvorsprung und ließ seinen Blick über die Zwischenetage wandern. Doch so sehr er sich auch verrenkte, er fand keine Farben. Schon gar nicht Rot und Weiß. Auf dem Eiffelturm war alles grau. Graue Böden, graue Streben, graue Aufzüge.
    Vielleicht … ihm kam ein Gedanke. Er eilte zu einem der Fernrohre und warf die Münze ein, die Eliza ihm gegeben hatte. Hektisch suchte er den Vorplatz ab.
    Bilder. Bunte Bilder. Vorhin hatte er ein paar Maler auf dem Platz vor dem Champs de Mars entdeckt. Sie standen vor ihren Staffeleien und versuchten, einander in immer wilderen Farbkompositionen zu übertreffen. Er schwenkte das Teleskop herum und suchte nach der Gruppe. Zuerst sah er nur Ausflügler, doch plötzlich geriet einer der Künstler ins Bild. Dann noch einer. Oskar drehte an der Vergrößerungslinse und justierte den Bildausschnitt. Plötzlich fiel sein Blick auf einen Eisverkäufer. Sein Wagen stand im Schatten eines großen Sonnenschirms. Einem Schirm aus roter und weißer Seide.
    Oskar stockte der Atem. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Direkt neben dem Schirm stand ein Mann. Groß, hager, mit einem langen Mantel und einem tief in die Stirn gezogenen Hut. Er hielt ein Fernglas in den Händen und blickte direkt zu ihnen herauf. Sein Gesicht war fast vollständig von seinem Bart umrahmt. Einzig seine markante Nase und seine stechenden Augen waren zu erkennen. Als er merkte, dass er beobachtet wurde, senkte er das Fernglas. Oskar zuckte erschrocken zurück.
    »Was ist los?« Humboldt war sofort bei ihm. »Hast du ihn gesehen?«
    »Ich … ich glaube schon.«
    »Lass mich mal ran!« Der Forscher presste sein Auge ans Okular und blickte hindurch. Oskar konnte erkennen, wie sein Ausdruck hart wurde. Sein Mund verzog sich zu einer schmalen Linie.
    »Beim Jupiter«, zischte der Forscher. »So ein dreister Bursche. Er weiß, dass wir ihn gesehen haben, trotzdem bleibt er stehen. Na warte, der kann was erleben!« Humboldt zog seinen Mantel enger, packte seinen Gehstock und hob ihn hoch. »Ich will, dass ihr euch auf dem kürzesten Wege zum Westpfeiler begebt. Ich habe unseren Kutscher angewiesen, dort auf uns zu warten. Ihr fahrt zu unserem Hotel zurück, packt unsere Sachen und wartet dann an der Ecke Marbeuf, Rue Clément Marot. Wir reisen sofort ab.«
    »Was hast du vor?« Charlotte sah mit einem Mal furchtbar blass aus.
    »Ich werde mir diesen Kerl vorknöpfen. Wollen doch mal sehen, wie er reagiert, wenn ich es auf eine direkte Konfrontation ankommen lasse.«
    »Tu das nicht!«, flehte Charlotte. »Hast du nicht gehört, was Eliza über ihn gesagt hat? Er ist bewaffnet und er ist gefährlich.«
    »Das bin ich auch.« Humboldt zog prüfend am Knauf. Oskar sah den geschärften Stahl des verborgenen Rapiers schimmern.
    »Ihr habt gehört, was ich gesagt habe. Gebt auf Eliza acht. Wir treffen uns dann am vereinbarten Treffpunkt. Und seid um Gottes willen vorsichtig!«

 
17
     
     
    Charlotte griff Elizas Hand und führte sie zum Aufzug. Das Gesicht der

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