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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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sehen, wie sie mit den Armen gerudert haben und dann versunken sind. Das ganze Meer hat gekocht, man kann sich so etwas überhaupt nicht vorstellen …«
    »Der Kapitän …?«
    Clement schüttelte den Kopf und schnäuzte geräuschvoll in sein Taschentuch.
    »Sie armer Mann.« Eliza klopfte ihm auf die Schulter. »Aber Sie dürfen nicht den Mut verlieren. Noch sind wir nicht tot. Solange auch nur ein Funken Leben in uns ist, besteht Hoffnung. Was immer uns da angegriffen hat, es scheint über eine gewisse Intelligenz zu verfügen. Ich glaube nicht, dass es die Schiffe nur aus blinder Zerstörungswut versenkt. Ich spüre, dass noch mehr dahintersteckt – ein Plan.«
    Clement hob fragend die Brauen. »Sie glauben, der Teufel hat einen Plan?«
    »Das ist meine Überzeugung.«
    »Bei allem Respekt, aber wir sind Dutzende von Metern unter der Wasseroberfläche und es gibt niemanden, der uns jetzt noch helfen kann. Es ist aus, verstehen Sie? Aus und vorbei.«
    Die Art, wie er das sagte, trieb Charlotte einen Schauer über den Rücken. Sie drückte Wilma an ihre Brust.
    In diesem Moment ertönte ein Schrei von der rechten Seite. »Venez! Regardez les lumières!«
    Clement hob den Kopf. »Quoi?«
    »Je ne sais pas.« Der Seemann deutete aus einem der Bullaugen nach unten. Er sah aus, als habe er ein Gespenst gesehen.
    »Was ist denn los?«, fragte Eliza.
    »Keine Ahnung. Er hat irgendwas gesehen. Er will, dass wir rüberkommen.«
    Charlotte setzte Wilma ab und folgte dem Maschinisten. Unmittelbar danach konnte sie sehen, was den Seemann so in Aufregung versetzte. Unter ihnen breitete sich ein Graben aus, dessen Boden mit Lichtpunkten übersäht war. Je weiter sie nach Süden schaute, desto mehr wurden es. Irgendwo in der Ferne war nur noch ein diffuses Leuchten zu erkennen. Etwas wirklich Großes musste dort unten sein. Der Meeresgrund sah aus wie eine Schatztruhe, gefüllt mit funkelnden Edelsteinen.
    Und das Verblüffende daran war: Die Lichter bewegten sich.

 
34
     
     
    Der Anblick des sinkenden Schiffes war erschreckend und faszinierend zugleich. Licht schimmerte von unten empor und ließ die Metallhülle aussehen, als würde sie glühen. Schlieren aus roter Helligkeit flackerten über Bug, Flanken und Heck. Während sich die Details der Calypso in der immerwährenden Dunkelheit verloren, starrten die vier schiffbrüchigen Abenteurer wie gebannt auf das Schauspiel. Es war ein Bild wie aus der altgriechischen Mythologie. Oskar fühlte sich an den Tartaros erinnert, den sagenumwobenen Abgrund, der das Reich der Lebenden von der Unterwelt trennte. Umgeben von einer dreifachen Mauer aus Dunkelheit blickte Zerberus, der dreiköpfige Wachhund der Unterwelt, auf die Seelen der Toten herab, die ihren Gang in die Tiefe antraten, um sich von Charon, dem Fährmann, an das andere Ufer des Flusses Styx übersetzen zu lassen. Wer einmal in den Tartaros hinabgestürzt war, kam nie wieder zurück, nicht mal, wenn er ein Gott war.
    Unfähig, seine Augen abzuwenden, beobachtete Oskar, wie die Calypso unwiederbringlich in den Graben gezogen wurde. Gewaltige stählerne Arme umklammerten den Rumpf und zogen das Schiff in sein nasses Grab. Das mechanische Untier schien genau zu wissen, wohin die Reise gehen sollte: zur Quelle des geheimnisvollen Lichts.
    Zuerst versank der Bug, dann das Mittelteil. Irgendwann waren nur noch Brücke und Mast zu sehen, dann verschwanden auch die. Das Schiff war in der Tiefe des Grabens verschwunden.
    Atemlos vor Entsetzen blickten die vier Gefährten nach draußen.
    »Verdammte Schweinerei!«, fluchte Rimbault. »Wieso hat der Kapitän das Schiff nicht aus der Gefahrenzone gebracht, so, wie es besprochen war? Wer soll uns jetzt wieder heraufholen? Dieser Kretin, dieser elende Trottel!«
    »Vielleicht konnte er nicht anders«, erwiderte Humboldt. »Erinnern Sie sich, das Sonar war mit unserer Tauchkugel verbunden. Vermutlich hat er den Angreifer gar nicht kommen hören.«
    »Aber er hätte ihn doch sehen müssen! Dieses Ding ist riesig und es leuchtet meilenweit. Wie blind muss man sein, um davor nicht die Flucht zu ergreifen?« Rimbault ballte die Fäuste.
    »Unter Umständen war er sich nicht bewusst, dass er den Feind sah«, warf Oskar ein. »Erinnert ihr euch, was uns Vogiatzis erzählt hat? Dass dieses Ding Leuchttürme imitieren könnte? Vermutlich ist er in die gleiche Falle getappt wie all die Kapitäne vor ihm.«
    »Wie dem auch sei«, sagte Humboldt. »Zumindest einen Hoffnungsschimmer gibt es.

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