Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
du?«
    Oskar presste seine Nase an das Glas. Seine Atemluft kondensierte zu winzigen Wassertröpfchen. Er wischte mit der Hand über die kalte Scheibe. Der Spalt, von dem Humboldt gesprochen hatte, war klar und deutlich zu sehen. Ein rotes Flackern ging von ihm aus, ganz so, als würde sich dort ein unterseeischer Vulkan befinden. Immer heller wurde es. Durch das Licht hindurch sah Oskar die Trümmer und verbogenen Rümpfe unzähliger Schiffe, die kreuz und quer auf dem Meeresboden verstreut lagen. Masten und Spanten, die aussahen wie gebrochene Rippen, bedeckten den felsigen Grund. Die Schiffshüllen waren zerborsten, manche sahen regelrecht angenagt aus.
    »Großer Gott!«, flüsterte er. »Was ist das nur?«
    »Ein Schiffsfriedhof«, murmelte der Forscher.
    »Glaubt ihr, die sind alle gegen die Klippen gelaufen und dort zerschellt?«
    »Nie im Leben«, flüsterte Océanne. »Keine Klippe der Welt kann so viele Schiffe auf dem Gewissen haben.«
    »Seht nur.« Rimbault deutete auf das Licht. »Ich glaube, es bewegt sich.« Er hatte recht. Das Licht in der Spalte fing an, seine Position zu verändern. Oskar erkannte es an den Schatten, die von den Schiffstrümmern ausgingen und die, einer Sonnenuhr gleich, über den Meeresboden wanderten.
    Schlagartig wurde das Licht heller. Eine hellrote Kugel stieg aus dem Graben, schoss wie eine Sternschnuppe empor und verschwand in den oberen Schichten des Meeres. Ein durchdringendes Heulen war zu hören.
    Oskar wich von der Scheibe zurück. Für einen Moment hatte er geglaubt, riesige Arme und Fühler zu sehen.
     

     
    Eliza stieß die große, mit Nieten versehene Eisentür auf.
    »Da wären wir. Schnell, rein mit dir!«
    Charlotte trat ein und sah sich um. Der Raum war verlassen. »Und hier drin soll es sicher sein?«
    »Sicherer zumindest als oben an Deck.« Eliza schloss die Tür und betrat den Raum. Durch die Bullaugen fiel gedämpftes Licht.
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Abwarten und die Augen aufhalten.«
    »Wonach denn?«
    »Ich weiß auch nicht. Achte auf alles Ungewöhnliche, besonders auf irgendwelche Leuchterscheinungen.«
    Charlotte blickte durch eines der Bullaugen in die Tiefe. Das unangenehme Gefühl der Bedrohung wollte sie einfach nicht loslassen. Was hatte es nur mit diesen seltsamen Leuchttürmen auf sich? Sollten es tatsächlich dieselben sein, von denen Nikomedes ihnen berichtet hatte? Sie wollte Eliza nach ihrer Meinung fragen, als sie das Licht sah. Ein Flackern in der Tiefe. Es schimmerte in einem blutigen Rot und wurde langsam heller und heller. Charlotte wich vom Fenster zurück. Was immer da in der Dunkelheit lauerte, es kam genau auf sie zu.
    »Oh mein Gott!«
    »Was ist los?«, rief Eliza.
    »Da … da kommt etwas aus der Tiefe zu uns heraufgeschossen.«
    »Wo? Lass sehen.« Eliza hetzte zu ihr herüber und starrte nach draußen. Das Licht war mittlerweile so hell, dass der Widerschein auf ihrem Gesicht zu sehen war.
    In diesem Moment hallte ein furchtbarer Schlag durch die Calypso. Das Schiff kippte auf die Seite und mit ihm alles, was sich in ihm befand – Ladung, Menschen, Tiere.
    Charlotte rutschte aus. Es gelang ihr gerade noch, Wilma zu packen, bevor beide gegen die gegenüberliegende Wand prallten. Der Aufprall war so heftig, dass sie glaubte, die Knochen in ihrem Körper würden brechen. Eliza erging es nicht besser. Die Haushälterin drehte sich um die eigene Achse und schlitterte mit den Händen voraus über den Boden. Ein schwerer Schlag drang an Charlottes Ohren, gefolgt von einem Keuchen. Doch Eliza war hart im Nehmen. Sie schlang die Arme um einen Eisenträger. »Klammere dich irgendwo fest!«, schrie sie. »Du musst Halt finden, schnell!«
    Charlotte blickte sich panisch um. Ihr Blick fiel auf einen der fest verschraubten Eisentische, auf dem die Karten und Pläne der Region lagen. Sie beugte sich vor, zog Kopf und Beine an und rutschte unter die Tischplatte. Mit Händen und Füßen verkeilt, erwartete sie den nächsten Angriff. Wilma hüpfte auf ihren Schoß und presste zitternd ihren Körper an sie. Keinen Augenblick zu früh, denn schon wurde die Calypso erneut durchgeschüttelt. Es gab ein grässliches Quietschen, gefolgt von einem Rauschen wie von tausend Flügelschlägen.
    »Da dringt irgendwo Wasser ein!«, schrie Eliza. »Die Calypso ist leckgeschlagen.« Ihr Gesicht war grau und voller Furcht. »Wir sinken.«
     

     
    Der Norweger wollte gerade das Achterdeck überqueren, als die riesigen Arme aus dem Wasser schossen.

Weitere Kostenlose Bücher