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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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so in Anspruch, da habe ich doch keine Zeit, Unterhaltungsliteratur zu lesen.«
    »Und ihr anderen?« Oskar blickte in die Runde.
    Verlegenes Räuspern erklang. Océanne blickte zu ihrem Vater, zuckte dann aber die Schultern. »Tut mir leid.«
    »Hat denn niemand Jules Vernes Buch gelesen? Sie, Monsieur Rimbault. Sie haben Ihre Bathysphäre doch Nautilus getauft und sind obendrein ein guter Freund von Jules Verne. Sie müssen das Buch doch kennen.«
    Der Schiffsbaumeister räusperte sich und tat so, als hätte er den Jungen nicht verstanden.
    Oskar hob erstaunt die Augenbrauen. »Und du, Charlotte?«
    Die Nichte des Forschers wich seinem Blick aus.
    »Ich fasse es nicht! Nicht einer von euch hat das Buch gelesen.« Oskar schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß natürlich, worum es darin geht«, sagte Charlotte. »Jeder, der halbwegs gebildet ist, weiß das.«
    »Das stimmt«, pflichtete ihr Humboldt bei.
    »Aber das ist nicht dasselbe«, protestierte Oskar. »Wenn ihr Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer gelesen hättet, dann wüsstet ihr, wie sehr dieser Palast, diese Schiffe und diese Technologie Vernes Vision entsprechen. Der Rückzug von der Menschheit, der Ozean als neuer Lebensraum, die Gewinnung von Nahrungsmitteln aus den Meeren. Das alles hat verdammt viel Ähnlichkeit mit dem Roman. Beängstigend viel Ähnlichkeit. Abgesehen davon natürlich, dass Nemo keinen Staat von Automaten, sondern Menschen regiert. Freidenker und Revolutionäre, manche von ihnen auch Aufrührer und Kriminelle, aber immerhin Menschen. Dass hier unten alle Arbeit von Maschinen ausgeführt wird, gibt mir zu denken.«
    »Woher willst du wissen, dass es hier keine Menschen gibt?«, fragte der Forscher. »Vielleicht sind wir ihnen nur noch nicht begegnet.«
    »Na ja, außer Cagliostro habe ich jedenfalls noch keine lebende Seele hier unten gesehen.«
    »Und auch bei ihm bin ich mir nicht sicher«, sagte Eliza.
    Humboldt runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
    »Nun ja …« Die dunkelhäutige Frau blickte ernst. »Jeder Mensch sendet Schwingungen aus. Freude, Trauer, Angst. Emotionen, die ich empfangen kann. Bei ihm jedoch fühle ich nichts. Er ist kalt wie ein Felsbrocken.«
    »Vielleicht weiß er seine Gefühle nur gut zu verbergen.«
    Eliza schüttelte den Kopf. »Das würde ich merken. Es gibt einen Unterschied, ob jemand etwas verbirgt oder ob er es erst gar nicht aussendet. Zum Beispiel gibt es jemanden in unserer Mitte, der nicht ist, was er zu sein scheint. Ich kann nicht sagen, wer es ist, nur, dass er ein doppeltes Spiel spielt.«
    »Ein Verräter?«
    »Schlimmer als das. Wenn ich an ihn denke, spüre ich eine Aura von Tod. Er ist ganz in unserer Nähe und er trachtet uns nach dem Leben. Er weiß seine Gefühle sehr gut vor mir zu verbergen, aber ich spüre, dass er hier irgendwo ist. Ich habe seine Nähe schon einmal gespürt.«
    Oskar hatte das Gefühl, als würde ein kalter Wind durch ihre Gemächer fahren. »Der Mann aus Athen?«
    Eliza hob ihren Kopf. In ihren Augen glomm dunkle Magie.
    »Schon möglich.«



 
40
     
     
    24. Juli 1893 …
     
    Drei Tage waren vergangen. Drei Tage, in denen sie nichts weiter getan hatten, als zu essen, zu schlafen, zu reden und sich zu langweilen. Hier unten gab es weder Morgen noch Abend, weder Mittag noch Mitternacht. Alles war gleich. Die eintönige Beleuchtung raubte einem jede Vorstellung von Zeit. Die Uhr tickte zwar unablässig, aber es gab weder Tag noch Nacht, weder Dämmerung noch Morgengrauen. Das Meer umhüllte sie mit eintöniger Dunkelheit, während die Musik einen betäubenden Schleier über alles legte.
    Elizas Andeutungen hatten nicht eben zur Aufheiterung der Gruppe beigetragen. Wenn es wirklich stimmte, was sie sagte, so schwebten sie alle in großer Gefahr. Die Aura von Misstrauen, die alle befallen hatte, wurde nur noch von der Empörung überschattet, dass man ihnen noch immer keine Audienz gewährt hatte. Drei Tage saßen sie nun schon hier fest, ohne zu wissen, was man von ihnen wollte, warum man sie gefangen hielt oder was aus ihnen werden sollte. Die Gespräche, die um dieses Thema kreisten, waren ebenso langwierig wie ergebnislos. Wer war dieser merkwürdige Sikander? Wo kam er her? Was wollte er?
    Fragen ohne Antwort, Gespräche ohne Sinn.
    Oskar konnte ihnen irgendwann nichts mehr abgewinnen. Er hatte genug gehört und genug gesehen. Er wusste, dass sie sich durch die ewig gleichen Fragen nur selbst zermürbten. Er selbst versuchte stattdessen, lieber etwas

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