Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
sich. Endlich konnten wir den Dörflern zurückzahlen, was sie uns in ihrer Güte überlassen hatten. Es war, als habe der Herr seine schützende Hand über uns gehalten.«
    »Aber warum gerade hier?«, fragte Humboldt. »Gibt es nicht andere Regionen, die leichter zu bewirtschaften wären?«
    »Doch, natürlich, aber wir sind schließlich nicht hier, um es einfach zu haben, nicht wahr? Uns interessierten die Dogon.«
    Oskar schaute interessiert auf.
    »In meiner Vermessenheit hatte ich mir zum Ziel gesetzt, diesem entlegenen und geheimnisvollen Stamm das Wort Gottes zu bringen.« Das Lächeln des Priors bekam etwas Trauriges. »Ich dachte, wenn ich das schaffe, dann kann ich es überall schaffen. Ich gebe zu, meine Hoffnungen waren etwas zu hoch gegriffen.«
    »Wieso?«
    »Während die Bevölkerung hier unten in der Ebene dem Wort Gottes aufgeschlossen ist, sind die Dogon sehr stark in alten Traditionen und Vorstellungen verhaftet. Es ging sogar so weit, dass der Ältestenrat seinem Volk verbot, mit uns Kontakt aufzunehmen.« Er zuckte mit den Schultern. »Ja, leider. Einige von ihnen trieben trotzdem Handel mit uns. Sie brachten uns Handwerkswaren wie Töpfereien, Schnitzarbeiten und Schmiedewaren, im Gegenzug bezahlten wir mit Ziegen, Korn und Bier. Die Säulen draußen vor der Tür sind die Arbeit von Dogonschnitzern.«
    »Die sind mir gleich aufgefallen«, sagte Oskar. »Wunderschön.«
    »Ja, aber hart erkauft«, sagte der Prior. »Seit dieser Zeit sind die Beziehungen wieder eingeschlafen. Doch ich will nicht klagen. Immerhin wurde ein Anfang gemacht. Unser Ziel ist es, Stück für Stück ihr Vertrauen zu gewinnen und einen Platz in ihren Herzen zu erobern. Ist das erreicht, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich das Wort Gottes bei ihnen herumspricht. Steter Tropfen höhlt den Stein, wie man so schön sagt.« Er lächelte bescheiden.
    »Zumindest ist es Ihnen gelungen, hier eine Oase zu schaffen«, sagte Oskar. »Die Gebäude sehen alle sehr gepflegt aus. Fast, als wären sie neu.«
    »Du bist ein aufmerksamer Beobachter.«
    Der Prior lächelte. »Wir haben im letzten halben Jahr umfangreiche Instandhaltungsarbeiten in die Wege geleitet. Alles wurde frisch gestrichen, die Gärten wurden frisch bepflanzt, die Dächer ausgebessert. Vor ein paar Wochen sind wir endlich fertig geworden. Fast so, als hätten wir euch erwartet.« In seinen Augen spiegelte sich das Tageslicht.
    »Ein schöner Zufall«, sagte Charlotte.
    »Oh, es war mehr als nur ein Zufall«, sagte der Prior. »Es war Bestimmung. Der Herr hat mir ein Zeichen gesandt.«
    Humboldt räusperte sich. »Ich verstehe nicht …«
    »Eine seltsame Geschichte.« Der Prior stand auf und blickte zum Fenster hinaus. »Es geschah an einem wunderschönen Morgen, vor etwa einem halben Jahr. Ich war gerade im Garten beschäftigt, als mich eine Vision überkam. Es war wie ein Blitzstrahl, der geradewegs auf mich herniederfuhr. Der Himmel war erfüllt vom Klang himmlischer Posaunen. Die Erde bebte. Vor meinem geistigen Auge sah ich eine neue Mission, größer und schöner als je zuvor. Ich sah, wie Menschen kamen und durch meinen Mund das Wort Gottes empfingen. Jeder, dem ich die Hand auflegte, wurde zu einem Diener Gottes. Es war, als flösse eine ungeheure Kraft durch mich hindurch.« Er drehte sich um. »An diesem Tag wurde ich neu geboren.«
    Eine peinliche Stille trat ein. Niemand wusste etwas darauf zu sagen. Oskar nahm sein Messer und strich sich noch etwas Butter aufs Brot. Wann hatte der Prior diese Vision gehabt? Vor einem halben Jahr? Genau zu dem Zeitpunkt, als Bellheim hier gewesen war. Komischer Zufall. Nachdenklich griff er nach dem Marmeladentopf. Weil er die Stille nicht länger ertrug und weil ihm nichts Besseres einfiel, fragte er: »Und Sie brauen hier draußen wirklich Ihr eigenes Bier?«
    Der Prior strahlte. »Oh ja. Wenn du möchtest, kannst du heute Abend gern davon kosten. Aber nur einen kleinen Schluck, es ist nämlich recht stark. Und natürlich nur mit Einwilligung deines Vaters.«
    »Von mir aus gern«, sagte der Forscher. Auch er schien erleichtert zu sein, dass die peinliche Hürde umschifft war.
    »Prächtig.« Der Prior klatschte in die Hände. »Dann steht einer kleinen Feier ja nichts mehr im Weg. Aber seien Sie vorgewarnt, meine Freunde: Ich habe unendlich viele Fragen.«
    »Die wir gern beantworten werden.« Humboldt faltete die Serviette und stand auf. »Wir nehmen Ihre Einladung mit Freuden an.«
    »Schön.« Der Prior

Weitere Kostenlose Bücher