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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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seinem Gesicht. »Selbst auf die Gefahr hin, dass ihr mich für verrückt haltet; sollte uns keine andere Lösung einfallen, werde ich mich den Wachen stellen und um einen Gefangenenaustausch bitten. Die Steinernen scheinen vernunftbegabte Wesen zu sein. Bestimmt haben sie einen Grund für ihr Handeln.«
    »Ja, allerdings«, stieß Oskar aus. »Den, dass sie abgrundtief böse sind. Einen anderen Grund sehe ich nicht.«
    Humboldt schüttelte den Kopf. »Kein Gemeinwesen ist abgrundtief böse. Einzelne Subjekte ja, aber nicht eine ganze Spezies. Ich muss herausfinden, warum sie tun, was sie tun, und dazu muss ich mit ihnen reden. Vermutlich sind sie, wie alle intelligenten Wesen, hierarchisch geordnet. Das heißt, sie haben einen Führer, der ihnen Befehle erteilt. Ich werde mit ihm sprechen und ihn bitten, Lena gegen mich einzutauschen.«
    »Sie haben recht«, murmelte Lilienkron. »Sie sind verrückt. Jetzt haben Sie sogar mich davon überzeugt. Mal eine Frage: Abgesehen davon, dass wir ihre Sprache nicht verstehen – was sollte die Steinernen daran hindern, uns alle zu Sklaven zu machen? Es gibt nichts, was sie von uns bekommen könnten – außer unserer Muskelkraft.«
    »Da irren Sie sich, Lilienkron. Es gibt etwas.«
    Der Gelehrte warf Humboldt einen skeptischen Blick zu.
    »Und was, wenn ich fragen darf?«
    »Wissen.« Humboldt tippte sich an die Stirn. »Informationen. Es gibt etwas, von dem ich glaube, dass sie es unbedingt haben wollen – ja, dass sie es geradezu dringend brauchen. Ich bin natürlich nicht sicher, ob sie sich auf einen Handel einlassen werden.«
    »Was für Informationen? Wovon reden Sie? Sie müssen es uns sagen. Wir haben ein Recht, es zu erfahren.«
    Humboldt schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht tun. Zu Ihrem eigenen Wohl.«
    »Aber …«
    »Sind Sie schon einmal einem Verhör unterzogen worden? Einem richtigen Verhör, nicht so einer gemütlichen Kaffeerunde?«
    »Sie sprechen von Folter.«
    Humboldt nickte. »Glauben Sie mir, unter der Folter wird jeder Mensch geständig. Sollte nur der geringste Verdacht bestehen, dass Sie Informationen zurückhalten, wird man die Befragung so lange fortsetzen, bis Sie auch das letzte bisschen ausgeplaudert haben. Und glauben Sie mir, Sie werden plaudern. Selbst wenn Sie Dinge erfinden müssten. Ihre einzige Chance liegt also darin, nichts zu wissen. Und genau deshalb darf ich nichts sagen. Niemandem in dieser Runde.« Er blickte sie streng an.
    Oskar war ganz elend zumute. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass sein Vater schon einmal gefoltert worden war. Wann war das gewesen und welche Geheimnisse hatte man versucht, ihm zu entreißen? Doch er wagte nicht, danach zu fragen. Nicht jetzt.
    Stunden vergingen.
    Sie schliefen, sie beobachteten, sie hielten Wache. Oskar döste vor sich hin und dachte an Lena. Wie sie sich begegnet waren, wie sie ihre ersten kleinen Raubzüge unternommen und später darüber gelacht hatten. Wie oft hatte er wach gelegen, weil sie noch nicht zurückgekehrt war? Wie oft hatte er die Stunden gezählt bis zu ihrem nächsten Coup und wie oft hatte er besorgt an ihrem Bett gesessen, wenn sie krank war? Er hatte ihr Geschichten erzählt und ihr vorgelesen, manchmal sogar gesungen. Auch wenn die Zeiten damals hart gewesen waren, in der Erinnerung verblasste alles Schlechte und nur die schönen Dinge blieben übrig. Doch jetzt war sie fort und nichts deutete darauf hin, dass sie sich jemals wiedersehen würden.
    Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Diese verdammte Höhle. Selbst nach all den Tagen, die sie bereits hier unten verbracht hatten, war es ihm immer noch nicht gelungen, seinen Körper an die fremde Umgebung anzupassen. Der Sauerstoffgehalt war zu niedrig, der Schwefelanteil zu hoch. Es herrschte eine furchtbare Trockenheit, zu der die allgegenwärtige Hitze ihr Übriges beitrug. Im trüben Dämmerlicht des roten Firmamentes verschwommen Minuten zu Stunden und Stunden zu Tagen. Drüben saßen Humboldt und Lilienkron und beobachteten und notierten, beratschlagten und diskutierten.
    Nach einer Weile kamen sie zu ihnen zurück.
    Das Ergebnis war niederschmetternd.
    »Keine Chance«, sagte Humboldt mit ernster Miene. »Das Tor wird rund um die Uhr bewacht. Wachwechsel alle vier Stunden, wobei es nie zu einer Unterbrechung kommt. Erst wenn die eine Schicht geht, verlässt die andere den Posten. Ungesehen an ihnen vorbeizuschleichen fällt also aus. Bliebe nur, sich den Weg freizukämpfen, aber das käme einem

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