Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
sich auf diese Stimme zu konzentrieren. Sie filterte sie unter all den anderen Stimmen heraus und isolierte sie. Das tat gut. Je klarer sie wurde, desto mehr nahm die Übelkeit ab. Nach einer Weile gelang es ihr sogar, einzelne Worte zu verstehen.
    Wo bist du?
    Wie können wir dich finden?
    Gib uns ein Zeichen.
    Die Aufforderung war so mächtig, dass Lena aufstand und zum Fenster ging. Ein heißer Wind wehte ihr entgegen. Ein Zeichen? Von was für einem Zeichen mochte die Stimme wohl sprechen? Die Welt vor ihren Augen war rot. Ein roter Himmel, roter Sand und rote Steine. Wie sollte so ein Zeichen aussehen?
    Sie wandte sich um und betrachtete ihre Kammer. Ein Eimer mit Wasser, eine provisorische Toilette, ein Tisch, ein Stuhl, eine hölzerne Liege mit hellem Laken.
    Ihr Blick blieb an dem Laken haften. Es war der einzige Gegenstand, der aus Stoff bestand. Hellem Stoff.
    Mit einer fließenden Bewegung zog sie das Laken vom Bett und ging damit an das Fenster. Sie wusste nicht, warum sie das tat, aber sie hatte das unstillbare Verlangen, dieses Tuch aus dem Fenster zu hängen. Eine ganze Weile stand sie so da und ließ es im Wind flattern. So lange, bis sie nicht mehr konnte. Dann zog sie es wieder herein.
    Nachdem sie das Laken wieder ausgebreitet hatte, fiel sie auf das Bett und versank in einen tiefen Schlaf.

 
42
     
     
    Oskar deutete hinauf zur Festung. »Dort oben, seht mal!«
    Aus einer Öffnung im vierten Stock flatterte ein helles Tuch. Es wirkte wie ein Fremdkörper in all dem Rot und Braun. Eine Weile hing es dort, dann wurde es wieder hineingezogen. Wer es herausgehängt hatte, war nicht zu erkennen. Der Raum dahinter war dunkel.
    Oskars Herz klopfte wie wild. Ob das …?
    Er schaute hinüber zu Eliza. Sie hatte ihre Augen wieder geöffnet und blickte müde zur Festung hinauf. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck von Zufriedenheit. Humboldt nahm sie in den Arm. »Und, hat es geklappt?«
    Sie nickte. »Ich glaube schon. Ich habe sie erreicht und sie hat geantwortet.«
    »Wer hat geantwortet?« Lilienkron war der Einzige, der sich keinen Reim auf die Vorkommnisse machen konnte.
    »Lena«, sagte Eliza. »Wir sind eine Verbindung eingegangen und sie hat mir gesagt, sie würde uns ein Zeichen geben.«
    »Und das hat sie«, sagte Oskar. Sein Blick wanderte über die mächtigen Steinquader hinauf zu der Stelle, wo das Laken im Wind geflattert hatte. Er hatte es sich genau eingeprägt. Das Fenster lag im unteren Drittel der Burg, schräg oberhalb des Hauptportals. Ein schmaler Sims führte knapp darunter vorbei. Wenn man die Steinquader mit einer Höhe von einem guten Meter veranschlagte, befand er sich etwa vierzig Meter über dem Boden. Hoch, aber nicht unerreichbar.
    »Und was ist das für ein Plan, über den ihr gesprochen habt?« Humboldt blickte Oskar über den Rand seiner Brille an.
    »Ich will diesen Sims erreichen und mich dann bis zu ihrem Fenster vorarbeiten. Das Fenster liegt genau darüber, siehst du? Wenn es mir gelingt, bis dort hinaufzuklettern, könnte ich mich daran entlangarbeiten.«
    »Das ist Wahnsinn«, sagte Charlotte. »Kein Mensch kommt dort hinauf. Nicht ohne vernünftige Bergsteigerausrüstung. Du wirst dir den Hals brechen.«
    »Werde ich nicht«, sagte Oskar. »Gewiss, es ist nicht ohne Risiko und es kann sein, dass ich abbrechen muss, aber ich würde es gerne versuchen. Ich muss es versuchen, das bin ich Lena schuldig.«
    »Und womit? Du hast doch weder Seile noch Haken noch irgendwelche Kletterschuhe.«
    »Das nicht. Aber ich habe das hier.« Er öffnete seine Tasche und holte seinen Tarnanzug heraus.
    Lilienkron hob die Brauen. »Was soll das sein, ein Karnevalskostüm?«
    »Das ist das Gewand eines Fassadenkletterers aus der Kaste der Meisterdiebe. Ich erhielt es in der verborgenen Inkastadt Xi’mal als Dank für unsere Taten während unseres ersten Abenteuers in den Anden. Es hat mir schon einmal gute Dienste geleistet.«
    »Was ist das überhaupt für ein Material?« Lilienkron strich mit den Fingern darüber.
    »Die Schuhe und Handschuhe sind aus Insektenschuppen, der Rest aus verwobener Insektenhaut. Es hat einen ungeheuren Halt, wenn man damit auf Felsen klettert. Hier, versuchen Sie mal.« Lilienkron nahm einen Schuh und drückte ihn gegen eine senkrechte Felsplatte. Der Schuh bestand aus feinem, anschmiegsamen Leder, das an der gesamten Unterseite mit einer Schicht feiner, rauer Schuppen besetzt war. Zur großen Überraschung aller fiel der Schuh nicht herunter, sondern

Weitere Kostenlose Bücher