Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
hat.«
»Vielleicht hat er das sogar, aber er konnte uns nicht sehen. Nicht bei diesem schlechten Licht und mit dem Chamäleonanzug. Solange wir uns ruhig verhalten, bleiben wir unsichtbar. Komm jetzt, weiter.«
Mit zitternden Beinen, aber einem Gefühl aufkeimender Hoffnung, setzte Lena ihren Weg fort. Das Ende war bereits in Sichtweite. Nur noch zwei Umdrehungen, dann würden sie die Eingangshalle erreichen. Langsam schöpfte sie Hoffnung.
Wie sehr sie sich danach sehnte, diesem düsteren Palast zu entfliehen. Und nicht nur diesem Palast. Sie wollte wieder nach oben, ans Tageslicht – an die frische Luft. Sie wollte ihre Freunde wiedersehen und den blauen Himmel. Nur noch weg von hier.
In diesem Moment erklang ein Knurren. Unten in der Eingangshalle sah sie den Umriss eines Teufelsmenschen. Seine geschwungenen Hörner und seine langen Arme zeichneten sich wie Scherenschnitte von der Helligkeit des offen stehenden Hauptportals ab. An seiner Seite war eine maulwurfsähnliche Kreatur mit kräftigen Schaufelhänden und einer langen, spitzen Schnauze. Etwa so groß wie ein Schäferhund, jedoch von gedrungener Statur. Das Biest war angeleint und trug ein metallbeschlagenes Halsband. Wie alle Erdwühler war vermutlich auch dieses Exemplar so gut wie blind, dafür roch und hörte es umso besser. Dumpfe Laute ausstoßend, zerrte es an der Leine. Es hatte sie gewittert.
Oskar reagierte blitzschnell und sprang schützend vor Lena. Der Wühler knurrte und geiferte. Sein Herr, ein Teufelsmensch von beeindruckender Größe, wandte sich um und spähte die Treppe hinauf. Seine Lanze in der einen Hand, die Leine des Wühlers in der anderen, kam er die Treppenstufen empor. Er war noch zehn Meter von ihnen entfernt. Acht … sechs. Keuchende Atemgeräusche drangen an Lenas Ohr.
»Augen zu«, zischte Oskar. Diesmal folgte sie seinem Rat sofort. Ein roter Blitz drang durch ihre geschlossenen Lider. Als sie die Augen wieder öffnete, war der Teufelsmensch zu Stein erstarrt. Er hielt immer noch die Leine in der Hand, an der der Riesenmaulwurf hing. Anders als sein Herr war der Wühler nicht versteinert. Tobend und geifernd versuchte er sich zu befreien, doch die steinerne Hand hielt ihn fest gepackt.
Das Problem war, sie würden nicht an ihm vorbeikommen. Die Treppe war zu schmal und dieses Biest sah ausgesprochen bissig aus. Überdies machte es einen Höllenlärm, der sicher bald weitere Wächter auf den Plan rufen würde. Im oberen Teil des Turmes waren bereits flackernde Lichter zu sehen. Lena blickte nach unten. Noch etwa drei Meter bis zum Boden.
»Komm«, zischte sie Oskar zu. »Auf drei geht’s los. Eins … zwei … drei.«
Sie sprangen. Der harte Fels riss ihnen die Füße weg. Lena versuchte sich abzurollen, spürte aber, wie ein stechender Schmerz ihr linkes Bein hinauffuhr. Sie stand auf und versuchte, einen Schritt zu gehen, zuckte jedoch schmerzerfüllt zusammen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihrem Fuß.
»Alles klar bei dir?«, flüsterte Oskar.
»Ich weiß nicht … ich glaube, ich habe mir den Fuß verstaucht«, zischte Lena durch ihre zusammengepressten Zähne.
»Aber wir haben keine Zeit für Kinkerlitzchen. Los jetzt, weiter.«
»Stütz dich auf meine Schulter. Ich bringe dich hier raus.«
Angelockt vom Lichtblitz und dem Spektakel, das der Wühler veranstaltete, erschienen plötzlich an allen Ecken und Enden der Halle weitere Teufelsmenschen. Mindestens sechs oder sieben. Sie umstellten die Flüchtigen und würden sie nicht entkommen lassen. Selbst der Tarnanzug konnte da nicht mehr helfen.
In ihren Blicken loderte Wut, während sie mit gesenkten Waffen auf die Jugendlichen zugingen. Oskar drehte wie wild an der Kurbel seiner Lampe. Lena sah, wie er sich abmühte, erkannte aber, dass es nicht reichen würde. Um ihm Zeit zu verschaffen, rief sie: »Lasst uns gehen. Wir sind nicht eure Feinde.«
Ihre Worte zeigten nicht die geringste Wirkung. Immer mehr von diesen Kreaturen kamen aus den Gängen und Schächten des Palastes.
»Wenn ihr näher kommt, werden wir euch zu Stein verwandeln, versteht ihr? Schaut euren Kameraden auf der Treppe an. Er wollte auch nicht hören. Und jetzt seht, was aus ihm geworden ist.«
Das Linguaphon kratzte und knarrte. Die Steinernen zögerten nur kurz und marschierten dann weiter auf sie zu.
»Mist«, fluchte Lena. »Meine Drohungen scheinen sie nicht besonders beeindruckt zu haben. Wie weit bist du?«
»So weit es nur eben geht. Augen zu.« Oskar riss die Lampe hoch
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