Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Schrecken sah Eliza, wie immer mehr der bedrohlich aussehenden Teufelsmenschen aus dem Portal strömten. Wie Maden aus der Dunkelheit, schoss es ihr durch den Kopf. Dann drehte sie sich um.
Humboldt steuerte zielstrebig auf die größte und furchterregendste der vier Echsen zu. Das Biest mochte vom Kopf bis zur Schwanzspitze etwa zehn Meter messen. Als würde er keine Angst kennen, kletterte der Forscher seitlich an der Tragevorrichtung empor und schwang sich auf den Sattel im Genick des Tieres. Die Echse stieß ein dumpfes Röhren aus.
»Kommt schon«, rief er. »Klettert in die Tragevorrichtung und dann haltet euch fest. Das könnte ein ziemlich holpriger Ritt werden.«
Wie die Lemminge kletterten die fünf Abenteurer die Leiter hoch und quetschten sich in den Tragekorb. Eliza wusste nicht, für wie viele Personen die Konstruktion ausgelegt war, aber sicher nicht für so viele. Humboldt ergriff die Zügel, stieß einen Ruf aus und schlug mit den Beinen gegen den Hals des Tieres. Nichts geschah. Die Steinernen kamen die Rampe herunter. Vierzig, fünfzig – eine ganze Armee.
In diesem Moment ertönte ein Krachen. Die Echse stieß ein ängstliches Blöken aus. Mit einer Kraft, die an eine Urgewalt erinnerte, stieg sie auf ihre Hinterbeine und brach dann aus. Vorbei an den Futtertrögen, quer über den Zaun und durch einen Schuppen, in dem Streu und Futter aufbewahrt wurden. Die anderen Echsen gerieten in Panik. Furchtbare Schreie ausstoßend, rissen sie sich von ihren Pflöcken los und flohen in alle Himmelsrichtungen. Eliza gelang es gerade noch, sich festzuhalten, als das Tier in die offene Wüste hinausstürmte.
Ihren Freunden stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Verzweifelt versuchten sie, sich an irgendetwas festzuklammern. Nur einer sah zufrieden aus: Lilienkron. Triumphierend hielt er sein rauchendes Gewehr in die Luft. »Sie mögen zwar die bessere Waffe haben«, rief er lachend zu Humboldt hinüber. »Aber meine ist lauter.«
45
Die Echse rannte und rannte.
Humboldt lenkte das Tier mitten hinein in die offene Wüste. Ein heißer Wind schlug Oskar ins Gesicht. Er sah, wie die Dünen und Gesteinsbrocken an ihnen vorbeisausten. Eine gewaltige Staubfahne wehte hinter ihnen her. Die Echse lief erstaunlich ruhig. Ihre Beine flogen nur so über den Sand. Die riesigen verhornten Krallen verhinderten, dass sie in dem weichen Untergrund einsank.
Fern am Horizont war immer noch die Festung zu erkennen.
»Wohin führst du uns?«, rief Eliza Humboldt zu. »Zum Aufzug geht es in die andere Richtung.«
Humboldt schüttelte den Kopf. »Ich will nicht zum Aufzug.«
»Nicht?« Sie hob erstaunt die Brauen. »Wohin dann? Ich dachte, wir wollen zurück an die Oberfläche.«
»Wollen wir auch, aber wir nehmen einen anderen Weg.« Mehr sagte er nicht. Hoch konzentriert spähte er geradeaus in den gelben Dunst. Oskar warf Eliza einen fragenden Blick zu, doch die zuckte nur mit den Schultern. Offenbar wusste nur Humboldt, wohin die Reise ging.
Nach einer Weile schälte sich links von ihnen eine Form aus dem allgegenwärtigen roten Staubnebel. Scharfe Klippen, glatte Wände, ein Haufen übereinandergetürmter Felsquader.
Oskar runzelte die Stirn. Er kannte diesen Ort.
»Das ist der Steinbruch«, stieß er aus. »Dort ist der Hang, wo wir raufgeklettert sind, und da oben die Stelle, an der ich mit Nijang gesprochen habe, seht ihr?«
Humboldt blickte auf seine Taschenuhr. »Wenn ich mich nicht verrechnet habe, bleibt uns noch eine Viertelstunde. Dürfte knapp werden.«
»Knapp wofür?«, fragte Lilienkron. »Wollen Sie uns nicht endlich verraten, was Sie vorhaben?«
»Wenn ich Ihnen das erzählte, würden Sie mich für verrückt halten, also lasse ich es lieber. Wie wär’s, wenn Sie noch einen Schuss abfeuern?«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte Lilienkron. »Da drüben sind überall Wächter. Reicht es Ihnen noch nicht, das uns bereits das halbe Schloss auf den Fersen ist?«
»Um ehrlich zu sein – nein. Je mehr, desto besser«, erwiderte der Forscher mit breitem Grinsen. »Ich will, dass so viele wie möglich auf uns aufmerksam werden. Also wären Sie endlich so gut, noch einmal zu feuern, oder muss ich nach hinten kommen und es selbst erledigen?«
»Sie sind ja verrückt!«, rief Lilienkron. »Man müsste Sie einsperren, weil Sie nicht mehr normal sind. Glauben Sie nur nicht, dass ich das in meinem Bericht unerwähnt lasse – wenn wir überhaupt jemals lebend nach Berlin zurückkommen.
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