Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
zu urteilen, waren sie auf einem See oder etwas Ähnlichem gelandet. Die Fontäne, auf der sie geritten waren, schoss senkrecht hinter ihnen in die Höhe und prasselte mit einem Rauschen wie von tausend Wasserfällen auf sie nieder. Humboldt nahm das herausgeschnittene Pilzstück und drückte es wie einen Deckel in die Öffnung. Zum Glück wurden sie rasch fortgetrieben und so konnte nicht noch mehr Wasser eindringen. Humboldt öffnete ihr seltsames Fahrzeug wieder und blickte hinaus. Sie dümpelten leicht auf und ab. Charlotte nahm Wilma auf den Arm und stand auf.
Sie spürte die kühle Luft in ihrem Gesicht. Sehen konnte sie zwar immer noch nichts, doch es roch nach Pflanzen, nach Wasser und nach Erde. Es gab kein Licht, nicht mal einen winzigen Schimmer, aber Charlotte glaubte zu spüren, dass sie in einer Höhle waren. Einer sehr großen Höhle.
Das Rauschen war leiser geworden.
»Könnt ihr etwas erkennen?«, fragte Humboldt.
»Nein. Nicht das Geringste.«
»Mach doch mal einer eine Lampe an. Man sieht die Hand vor Augen nicht.«
»Ich versuche es doch schon die ganze Zeit«, sagte Lilienkron. »Aber die Induktionsspulen scheinen nass geworden zu sein. Totalausfall.«
»Auch das noch«, grummelte der Forscher. »Das bringt uns in eine ziemlich missliche Lage.«
»Inwiefern?«, fragte Charlotte besorgt.
»Ohne jetzt allzu dramatisch zu klingen, aber irgendwohin muss das Wasser ja wieder abfließen. Wenn wir Pech haben, zieht es uns in einen Wasserfall und wir landen wieder da, wo wir hergekommen sind.«
»Auf keinen Fall«, sagte Oskar. »Mir ist noch viel zu schlecht von der Fahrt hier hoch.«
Charlotte spürte eine Bewegung, dann hörte sie ein Plätschern.
»Oskar?«
»Ich bin im Wasser«, kam es von außerhalb des Pilzes. »Und wisst ihr was? Es ist gar nicht tief.«
»Komm sofort wieder an Bord«, donnerte Humboldt.
»Geht nicht. Aber wartet mal, ich glaube, ich kann den Pilz gegen den Strom ziehen. Wenn ich mich nicht täusche, wird es hier drüben flacher.«
»Dieser Junge. Na was soll’s.« Humboldt zog seinen Mantel aus und sprang hinterher.
Er ächzte und schnaufte, dann spürte Charlotte, wie ihr Wasserfahrzeug auf Grund stieß.
»Hier ist eine Sandbank«, sagte Humboldt. »Sie scheint ganz trocken zu sein. Ein paar Steine und Moospolster, das ist alles. Kommt raus, dann werden wir unsere Kleider trocknen.«
Einer nach dem anderen verließen sie ihr Gefährt. Charlotte fand es komisch, so im Stockdusteren herumzulaufen, aber allemal besser, als auf einem fremden See ins Ungewisse zu schippern. Immerhin konnte man sich so ungesehen umziehen.
Sie zog Hemd und Hose aus und wrang sie aus. Ihre Kleidung war klatschnass.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Lena. »Ich kriege das Grausen, wenn ich nur daran denke, was sich für schleimige Kreaturen in dieser Höhle verbergen.«
»Na, na, nun übertreib mal nicht«, sagte Humboldt. »Zuerst mal bin ich froh, dass wir alle so glücklich entkommen sind. Ich muss gestehen, dass ich mir kurz Sorgen gemacht habe, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, uns die Röhre raufzuschießen. Aber wir haben es geschafft und das ist ein Grund zur Freude.«
»Und was bringt uns das, wenn wir nicht wissen, wo wir sind? Wie sollen wir uns orientieren?«
»Wir haben doch die Lampen«, sagte Humboldt. »Bis sie getrocknet sind, müssen wir uns eben noch ein bisschen gedulden. Ich bin sicher, dass sie wieder einwandfrei funktionieren werden, wenn sie ein paar Stunden belüftet wurden. Bis es so weit ist, sollten wir uns hinlegen und uns eine verdiente Pause genehmigen. Versucht einfach etwas zu schlafen. Es ist das Beste, was ihr tun könnt. Ich werde solange versuchen, die Induktionslampen zu reinigen, einverstanden?«
»Na schön«, sagte Lena. »Hoffen wir, dass Sie recht haben. Und was die lang verdiente Pause betrifft …«, Charlotte hörte ein herzhaftes Gähnen, »… da haben Sie wirklich recht. Ich bin hundemüde.«
Außer Humboldt legten sich alle hin und versuchten zu schlafen. Es war nicht einfach, auf dem harten Untergrund eine bequeme Position zu finden. Charlotte wälzte sich ein paarmal hin und her, dann ging es besser. Es dauerte keine zwei Minuten und sie war tief und fest eingeschlafen.
47
Ein helles Licht schien Oskar ins Gesicht und weckte ihn aus tiefem Schlummer. »Och nö, Licht aus, ich will noch schlafen.«
Keine Reaktion.
Wenn das ein Scherz sein sollte, dann jedenfalls kein guter.
Oskar wälzte sich
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