Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
schon, dass er das nicht gutheißen wird. Wir sind schon zu viert und außerdem ist ja auch noch Lilienkron mit dabei.«
»Es wäre mein größter Wunsch.«
»Warum? Ich meine, du hast noch nie sonderlich viel Interesse an fremden Ländern und gefährlichen Abenteuern gezeigt. Im Gegenteil, ich dachte immer, du wärst eher der häusliche Typ. Froh, von der Straße runter zu sein, und zufrieden damit, an der Seite von Eliza den Laden hier zu schmeißen.«
»Da siehst du mal, wie man sich täuschen kann«, sagte sie. »Ich gebe zu, ich bin nicht wahnsinnig scharf darauf, Kopf und Kragen zu riskieren, aber ich würde trotzdem gerne mal etwas von der Welt sehen. Außerdem könnten wir dann mehr Zeit miteinander verbringen …« Sie ließ ihre Hand auf seinen Oberschenkel gleiten.
»Zeit miteinander …?« Mit einem Mal wusste Oskar, was die Stunde geschlagen hatte. Was war er nur für ein Hornochse, dass er die Signale nicht vorher schon richtig gedeutet hatte. Es passte alles zusammen: die sehnsüchtigen Blicke, die kleine Modenschau neulich, jetzt die Sache mit der Reise.
Lena hatte sich in ihn verliebt.
Nun war das bei Lena an sich nichts Ungewöhnliches. Sie war äußerst schwärmerisch veranlagt und eigentlich permanent in irgendjemanden verliebt. Neulich sogar mal in den Opernsänger Alois Burgstaller, der im Gespräch war, den Siegfried bei den Bayreuther Festspielen zu geben. Aber dass es ihn selbst auch mal erwischen konnte, damit hätte Oskar im Leben nicht gerechnet.
Dabei fand er den Gedanken eigentlich ganz schmeichelhaft. Seit Charlotte so sehr mit sich und ihrer Vergangenheit beschäftigt war, hatte Lena immer mehr Platz in seinem Leben eingenommen. Sie war aufmerksam, humorvoll und nett und es machte einfach Spaß, mit ihr zusammen zu sein. Und es schmerzte so, dass Charlotte keine Zeit für ihn hatte.
Er seufzte. In was für einen Schlamassel war er da nur hineingeraten?
Behutsam versuchte er ein paar Zentimeter Abstand zu gewinnen.
»Stört es dich, wenn ich dich berühre«, fragte Lena leise.
»Ich … hm.« Oskar musste sich räuspern. Wieso nur hatte er in solchen Situationen immer einen Frosch im Hals?
Ihre unergründlichen grünen Augen schienen sich förmlich in ihn hineinzubohren. »Ist es wegen Charlotte?«
»Was meinst du?«
»Dass du dich nicht traust, mir zu sagen, dass ich dir gefalle. Ich habe doch gemerkt, wie du mich neulich angeschaut hast. Ganz anders als sonst.«
»Ja, weißt du, das lag vielleicht an den neuen Sachen und daran, dass du keine Zöpfe mehr trägst.«
»Die Haare sind schön so, oder?« Sie drehte ihren Kopf. »Ich war diese Zöpfe so leid. Sie sind ja ganz praktisch, aber seit ich die Haare offen trage, bekomme ich immer öfter Komplimente. Wenn du wegen Charlotte so zurückhaltend bist, dann verstehe ich das. Obwohl ich finde, dass sie sich dir gegenüber etwas komisch benimmt.«
»Echt?« Oskar wurde immer mulmiger zumute. Er überlegte verzweifelt, wie er das Gespräch in andere Bahnen lenken konnte, aber ihm fiel nichts ein. Es gab keine Fluchtmöglichkeit. Nur Lena und ihn und dieses Zimmer, das immer kleiner zu werden schien.
»Ja, allerdings«, sagte Lena. »Wenn ich einen Freund hätte, würde ich mich mehr um ihn kümmern. Ich würde so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen.«
»Ja, weißt du, Charlotte und ich, wir brauchen beide unseren Freiraum. So eng aufeinanderzuhocken, das ist nicht unser Ding. Apropos Freiraum: Hast du Wilma in letzter Zeit gesehen? Seit sie das neue Linguaphon hat, kommt sie mich kaum noch besuchen. Ich glaube, sie redet lieber mit Maus oder Willi, da ist sie irgendwie gesprächiger. Vielleicht liegt es daran, dass Willi immer etwas zu Naschen in seinen Schubladen hat …«
»Ach, Oskar«, hauchte Lena. Ihre Augen hatten einen feuchten Schimmer. »Willst du denn gar nicht wissen, wie sehr ich dich mag?« Sie rutschte näher.
In diesem Moment ging die Tür auf.
Es war Charlotte mit einem Stapel Bettwäsche in den Händen. Sie ging ein paar Schritte, dann blieb sie wie angewurzelt stehen.
Blitzschnell nahm Lena ihre Hand von Oskars Knie, doch es war offensichtlich, dass Charlotte es bemerkt hatte. Für einen kurzen Moment lag ein verletzter Ausdruck in ihrem Gesicht, doch dann erschien wieder dieses süffisante Grinsen um ihre Mundwinkel.
»Lasst euch nicht stören«, sagte sie. »Ich habe dir nur die neue Bettwäsche gebracht, Oskar. Wo soll ich sie hinlegen?«
Oskar sprang auf. »Warte, ich nehme sie dir
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