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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Lilienkron ließen Arme und Beine los und rappelten sich hoch. Oskar und Eliza halfen ihnen auf die Füße. Im Nu standen alle um Lena herum, die immer noch auf dem Boden saß und Fasern des Jutesacks aus ihrem Mund pflückte.
    »Was hat das zu bedeuten?«, donnerte Humboldt. »Was machst du an Bord dieses Schiffes?«
    »Wonach sieht es denn aus?« Sie blickte den Forscher herausfordernd an. Nachdem ihr niemand eine Hand anbot, stand sie selbstständig auf. »Ich begleite euch.« Sie klopfte den Staub von ihrer Kleidung und schnäuzte einmal kräftig in ein Taschentuch. »Ich hatte Oskar gebeten, für mich um Erlaubnis zu fragen, aber nachdem er das offenbar vergessen hat, habe ich die Dinge selbst in die Hand genommen.« Sie funkelte wütend in die Runde. »Und hier bin ich nun. Ihr könnt mich ja über Bord schmeißen, aber vorher will ich noch etwas Vernünftiges essen. Ich bin das trockene Brot und die Dauerwürste leid. Also, was ist? Bekomme ich etwas von eurem Abendbrot ab oder muss ich mich wieder selbst an den Vorräten bedienen?«

 
12
     
     
    Der Boden der Schlucht war steinig und uneben. Schwarze Brocken vermischt mit roter Erde bedeckten den Grund. Rechts und links stiegen die Wände steil an. Nebelschwaden waberten in die Höhe und trübten die Sicht. Der Gestank nach faulen Eiern war überwältigend.
    Eliza zwang sich, durch den Mund zu atmen. Der Schweiß rann ihr von der Stirn, die Kleidung klebte auf der Haut. Wie heiß es hier war. Die Sonne ließ die Erde unter ihren Strahlen erzittern. Seltsame Geräusche drangen an ihr Ohr. Dumpfes Grunzen und schrille Schreie, dazwischen vibrierendes Summen, vermischt mit melodischem Vogelgezwitscher. Das Ganze erinnerte sie an Haiti, auch wenn sie sicher war, dass dies nicht ihre Heimat war.
    Wo war sie? Was tat sie hier? Wie war sie hierhergekommen?
    Sie hatte diesen Ort noch niemals zuvor gesehen.
    Einen Moment lang blieb sie stehen und schaute sich um. Ein dumpfes Gefühl von Bedrohung lag in der Luft. Irgendetwas stimmte nicht. Sie verspürte den Wunsch, diese Schlucht zu verlassen, und suchte nach Treppen oder Vorsprüngen, doch da war nichts. Aussichtslos, die Hänge erklettern zu wollen, dafür waren sie viel zu rutschig. Um hier rauszukommen, blieb ihr nichts anderes übrig, als den Weg durchs Tal fortzusetzen und zu hoffen, dass es am Ende leichter wurde.
    Das Tal machte einen relativ jungen Eindruck. Der Untergrund war locker und porös. Die Felsen zeigten keine Anzeichen von Bewuchs, wie es für tropische Regionen eigentlich üblich war. Überall waren Risse und Furchen. Die Erde sah aus, als wäre sie von einer unvorstellbaren Kraft aus dem Erdinneren hochgedrückt und aufgebrochen worden.
    Eliza wischte sich übers Gesicht. Der Schweiß brannte ihr in den Augen und die Zunge klebte ihr am Gaumen.
    Der Nebel wurde dichter. Gelblicher Dampf waberte um sie herum, als wollte er verhindern, dass sie entkam. Selbst die Sonne verlor an Kraft. Trüb und gelb stand sie über ihr, kaum mehr als eine blasse Scheibe am schwefelgelben Himmel.
    Vorsichtig ging Eliza weiter. Mannsgroße Felsen tauchten auf. Sie waren rund und von dunkelgrauer Farbe. Manche von ihnen hatten die Formen verkrümmter Gestalten. Gebeugte, versteinerte Menschen, denen es ebenfalls nicht gelungen war, dieses Tal wieder zu verlassen.
    Plötzlich hörte Eliza ein Scharren und Kratzen. Wie angewurzelt blieb sie stehen und spitzte die Ohren. Das Geräusch kam von vorne, wich dann aber zur Seite aus und verschwand im Nebel hinter ihr. Einen Moment lang war es still, dann hörte sie es wieder. Es klang, als ob irgendwo Steine übereinanderrieben.
    »Hallo? Ist da jemand?«
    Das Scharren wurde lauter. Eliza spürte, wie ihr der Angstschweiß ausbrach. Irgendjemand war hier unten in der Schlucht. Plötzlich sah sie etwas durch den Nebel streifen. Es war groß und ging gebeugt, mit kurzen Beinen und langen Armen, die auf dem Boden schleiften. War das ein Mensch? Der Nebel verzerrte die Umrisse zu grotesken Formen. Stocksteif stand sie da, versuchte ein Teil der Landschaft zu werden. Das Geschöpf ignorierte sie und humpelte an ihr vorbei. Dann drehte es um und kam wieder zurück. Diesmal genau auf sie zu.
    Schon war seine Form im Nebel zu erkennen. Die Gestalt wurde deutlicher. Was in Gottes Namen war das bloß?
    Nur wenige Meter von ihr entfernt richtete sich das Ding auf. Zwei glühend rote Augen waren auf sie gerichtet. Auf der Stirn des Wesens prangten zwei geschraubte Hörner. Seine

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