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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Terrassen anlegten, Kaffee ernteten oder Bewässerungsgräben aushoben.
    Es war ein friedlicher Anblick, der fast darüber hinwegtäuschen konnte, dass ein dunkler Schatten über diesem Land lag.
    Nach kurzer Zeit kam eine Hügelkette in Sicht, hinter der einige mächtige Vulkane ihre Häupter in den Himmel reckten. Da waren der Kelut, der Arjuno und der Welirang, daneben der Semeru, der Bromo und der Lamongan. Aus manchen von ihnen stieg dunkler Rauch empor. Anhand ihrer Form und Größe war Charlotte in der Lage, die kahlen Kegel auseinanderzuhalten. Sie hatte sich die Position der Berge gut eingeprägt, denn sie las schon seit einiger Zeit in Franz Wilhelm Junghuhns Atlas zur Reise durch Java.
    Junghuhn hatte Java zwischen 1835 und 1848 bereist und umfangreiche geographische Berichte verfasst. Seine Arbeit gipfelte in der großen Javakarte von 1855. Der Bromo und der Semeru waren Teil der Tengger Caldera, einer Gruppe feuriger Berge im Südosten der Insel, die nach den Tengger benannt waren, einem Volk, das zwischen den Bergflanken lebten. An einem bedeckten Tag wären die Berge kaum zu sehen gewesen, doch heute war der Himmel klar und wolkenfrei und man konnte weit ins Land hineinschauen.
     

     
    Nach etwa einer Stunde deutete Oskar nach vorne. »Seht mal«, rief er. »Da drüben in den Hügeln. Sieht aus wie ein großes Gebäude.«
    Charlotte kniff die Augen zusammen. Aus dem Hang eines mächtigen Vulkans ragten weithin sichtbar die imposanten Spitzen und Türme eines Tempels heraus. Sie bemerkte Wimpel und Fahnen, die fröhlich im Wind flatterten.
    »Das ist unser Ziel«, rief Van Bakken. »Der Palast des Königs. Es ist ein ehemaliger Shivatempel, der schon seit vielen Hundert Jahren hier steht. Noch eine knappe Viertelstunde, dann sind wir da.«
    Auf ein Zeichen ihrer Reiter bogen die Elefanten von der Hauptstraße ab und folgten einer schmaleren Straße hinauf in die Hügel. Sie verließen die Ebene und ritten auf breiten Steinplatten höher und höher. Einer der Elefanten ließ ein lautes Trompeten erschallen, worauf der Ruf von einem Horn in weiter Ferne erwidert wurde.
    Man hatte ihre Ankunft also bereits bemerkt.

 
19
     
     
    Als sie unter dem Bogen des Hoftores hindurchritten, musste Oskar unwillkürlich den Kopf einziehen. Der Palast bestand aus vielen Dutzenden von Tempeln, die inmitten eines weitläufigen und von Parkanlagen umsäumten Geländes verteilt waren. Manche waren groß, manche klein, manche so winzig, dass gerade mal eine Person hineinpasste. Die meisten machten einen alten und verfallenen Eindruck, manche wirkten aber neueren Datums und waren mit Flaggen und farbigen Wimpeln geschmückt. Aus den Spalten der massigen Steinquader spross das Gras, und Palmen, Rhododendren und Oleander wucherten zwischen den Gebäuden.
    Der Haupttempel stand in der Mitte der Anlage und war durch ein strahlenförmig zulaufendes Wegenetz erreichbar. Er bestand fast vollständig aus dunklem Vulkanstein und war so mit Lianen überwuchert, dass Oskar nicht wusste, wo der Stein endete und die Pflanzen begannen. Mit einem mulmigen Gefühl richtete er seinen Blick nach oben. Stockwerk um Stockwerk ragten die schwarzen Mauern in die Höhe und liefen in dreißig oder vierzig Metern zu einer steinernen Spitze zusammen. Jede der acht Etagen war mit einer Vielzahl kleinerer Türme versehen, die mit aufwendigen Reliefs geschmückt waren. Oskar erkannte Menschen mit Elefantenköpfen, Frauen mit sechs Armen, gepanzerte Tänzerinnen und vieles mehr.
    »Willkommen im Palast von Tengah«, sagte Van Backen. »Dieser alte Hindutempel wurde von den Ahnen König Bhambans zu einem Palast umfunktioniert. Der König ist sowohl Herrscher als auch oberster Priester dieses Landes und als solcher eine geheiligte Person. Wenn Sie jetzt absteigen würden, ich werde Sie ankündigen.«
    Van Bakken eilte durch den Haupteingang und verschwand im Inneren des Gebäudes.
    Oskar kletterte vom Rücken des Elefanten herunter und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Obwohl der Abend nicht mehr fern war, lag immer noch eine brütende Hitze über dem Land. Er beobachtete, wie die Treiber die Elefanten in den hinteren Teil der Anlage führten, wo die Unterkünfte und Stallungen lagen. Er hoffte, dass er noch einmal Gelegenheit haben würde, auf diesen herrlichen Tieren zu reiten.
    Als alle abgestiegen waren, winkte Humboldt sie zu sich.
    »Ein Wort der Warnung«, sagte er. »Erinnert euch: Wir sind fremd in diesem Land und kennen die Gebräuche

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