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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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noch als ansehnlich hätte bezeichnen können. Alles an ihm schien aus Wülsten zu bestehen. Die Arme, die Beine, der Bauch, die Brust, selbst der Hals und die Wangen wölbten sich zu mächtigen Speckrollen. Seine Haut glänzte im Schein der Lampen, als wäre sie eingeölt. Seine Hände hielt der Monarch zu einer rituellen Geste gefaltet, die zeigte, dass er sich in einer tiefen Meditation befand.
    Als die Abenteurer bis auf wenige Meter herangekommen waren, öffnete er die Augen. Dimal senkte den Kopf.
    »Verehrter Vater, Eure Gäste sind eingetroffen.«
    »Unsere Gäste, hm?« Die Stimme war hoch, beinahe weiblich, und passte nicht recht zu diesem massigen Körper.
    »Sind es Freunde oder Feinde, das fragen wir uns.« Bhamban senkte die Hände und nickte Humboldt zu. »Du da, sprich.«
    »Verehrter König, ich versichere Ihnen, dass wir mit besten Absichten kommen«, sagte Humboldt. Das Linguaphon verrichtete seinen Dienst ohne Probleme. Lediglich ein paar Pausen und Dehnungen waren zu bemerken, doch den Monarchen schien das nicht zu verwundern.
    »Was der Mensch tut und was er sagt, ist zweierlei«, sagte er. »Manch einer hat ein reines Herz und tut trotzdem das Falsche, manch einer ist schuldbeladen und trotzdem ein Held. Zu welcher Kategorie gehört ihr?«
    Humboldt ließ sich von den rätselhaften Worten nicht aus dem Konzept bringen. »Mein Name ist Carl Friedrich von Humboldt«, sagte er und deutete auf das Schreiben Poortvliets. »Ich bin der Leiter dieser Expedition und vom Gouverneur beauftragt worden, gewisse Nachforschungen anzustellen.«
    Bhamban hob das Papier auf Augenhöhe und studierte die Zeichen. »Ein Freund des Gouverneurs, so, so.«
    »Nicht direkt ein Freund. Mehr ein Berater. Ich bat ihn, mir eine Generalvollmacht auszuhändigen, weil ich unbedingt mit Ihnen sprechen wollte.«
    »Warum?«
    Humboldt räusperte sich. »Ich möchte von seiner Majestät die Erlaubnis erhalten, uns im Süden eures Landes umzusehen. Wir möchten euch dabei helfen, den seltsamen Vorkommnissen, die dieses Land in Unruhe versetzen, auf den Grund zu gehen.«
    »Warum?«
    Humboldt stutzte. »Nun, ich dachte, es würde Sie freuen zu hören, dass Ihre Sorgen auch im Rest der Welt Gehör gefunden haben und dass Ihnen die Anteilnahme unseres Landes gewiss ist.«
    Oskar erwartete schon ein weiteres Warum, doch der Monarch schien es sich anders überlegt zu haben. Mürrisch blickte er auf das Papier, dann sagte er: »Wir benötigen keine Hilfe. Es ist eine Lappalie. Euer Land soll sich um seine eigenen Probleme kümmern. Wir kommen bestens klar.« Seine Augen verschwammen im flackernden Licht der Ölfeuer.
    Oskar runzelte die Stirn. Er hatte das Gefühl, dass der Herrscher log.
    »Und was ist mit den Berichten über die seltsamen Kreaturen, die eure Dörfer überfallen, die eure Häuser verwüsten und eure Untertanen entführen?«, fuhr Humboldt fort. »Ich finde nicht, dass das nach einer Lappalie klingt.«
    »Seit ich die Lotterie eingeführt habe, gibt es keine Probleme mehr«, sagte der König.
    Humboldt räusperte sich. »Bei allem Respekt. Vielleicht sind es nicht mehr so viele wie früher, aber das Problem besteht immer noch. Ihr kuriert nur die Symptome, die Krankheit wird nicht geheilt. Ihr müsst den Dingen auf den Grund gehen, sonst wird es nie enden.«
    »Das solltet Ihr mir überlassen. Ihr wisst nichts über dieses Land, aber Ihr maßt Euch an, mir Ratschläge zu erteilen. Ich weiß nicht, wie solche Sachen in Eurem Land empfunden werden, aber bei uns ist das eine Beleidigung. Euer Angebot mag wohlwollend gemeint sein, aber wir sind nicht auf Eure Hilfe angewiesen. Lebt wohl und eine gute Heimreise. Die Audienz ist beendet.«
    Bhamban faltete die Hände und schloss wieder die Augen.
    Oskar sah Charlotte an, doch die zuckte nur mit den Schultern, Offenbar war sie genauso ratlos wie er. Das war’s? Das war die Audienz gewesen? Der König hatte sie abserviert wie unliebsame Vertreter. Ob sein Vater sich das so vorgestellt hatte?
    Humboldt rührte sich nicht vom Fleck. Auf seinen Stab gestützt, stand er da und beobachtete den Monarchen. Nach einer Weile öffnete Bhamban die Augen. Er schien überrascht, dass seine Gäste immer noch da waren.
    »Gibt es noch etwas?«
    »Nur noch eine Kleinigkeit«, sagte Humboldt. »Mein Geschenk, haben Sie es erhalten?«
    Oskar wusste sofort, dass Humboldt einen Nerv getroffen hatte. Das Gesicht des Monarchen, das eben noch entspannt und souverän gewirkt hatte, war auf einmal

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