Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
»Es ist so etwas wie ein Aufzug.«
    »Aber wie wurde er aktiviert?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich durch unser Gewicht. Ich war alleine zu leicht, um den Auslöser zu betätigen.«
    »Bringt das verdammte Ding zum Stehen«, schrie Charlotte. »Macht, dass es wieder anhält!«
    »Es geht nicht«, brüllte Humboldt über den Lärm hinweg. Die Schwerkraft ließ seine Haare wie Rauch durcheinanderwehen. »Es gibt keine Bremse oder so etwas. Und mit bloßen Händen kann man ihn nicht stoppen.«
    Beim Anblick der rasch vorbeizischenden Felswände trat Oskar unwillkürlich einen Schritt zurück. Im Schein ihrer Lampen sah er, wie das Gestein an ihnen vorüberraste. Die Felswände sahen aus wie Sandpapier. Ein heißer Luftstrom wirbelte durch den Schacht und zerzauste ihnen die Haare. Es rumpelte und donnerte, während die Temperaturen unaufhörlich anstiegen. Der Schweiß glänzte ihnen auf der Stirn.
    Immer tiefer sausten sie hinab. Oskar spürte, wie der Luftdruck zunahm. Es war, als würde er von einer riesigen Hand langsam zusammengequetscht.
    Humboldt hatte sein Barometer herausgezogen und starrte auf die Anzeige. »Mein Gott«, rief er. »Seht euch das an. Tiefer als der tiefste Meeresgrund. Eins Komma zwei Bar, Tendenz steigend. Wir sind jetzt mitten in der Erdkruste und ich habe keine Ahnung, wie lange das noch weitergeht.«
    »Wie dick ist denn die Kruste?«, fragte Oskar mit bangem Herzen. Der Gedanke an rot glühende Magmamassen unter ihnen stimmte ihn nicht gerade hoffnungsvoll.
    »Aktuelle Schätzungen gehen von etwa vierzig Kilometern aus, wobei sie unter den Kontinenten dicker ist als unter den Ozeanen.«
    »Und danach?«
    »Dann folgt der Erdmantel mit Temperaturen bis zu mehreren Tausend Grad Celsius. Nichts kann dort überleben.«
    »Und was, wenn nach der Kruste nichts mehr kommt?«
    »Wie meinst du das?« Humboldt runzelte die Stirn.
    »Ich spreche von John Cleves Symmes’ Theorie der konzentrischen Kreise. Das Buch über die Hohlwelt.«
    Lilienkrons Brauen hüpften nach oben. »Du hast Symmes gelesen?«
    »Allerdings«, erwiderte Oskar. »Und Jules Verne ebenfalls. Es hat ihn zu seinem Roman Reise zum Mittelpunkt der Erde inspiriert.«
    »Und was hältst du davon?«
    »Ich finde es faszinierend«, erwiderte Oskar. »Allerdings stehe ich damit ziemlich alleine da.«
    Auf Lilienkrons Gesicht erschien ein Strahlen. »Oh. Dann ist in dieser Familie ja doch noch nicht Hopfen und Malz verloren. Zumindest einer, der ein bisschen über den Tellerrand hinausblickt.« Er ergriff Oskars Hand. »Glückwunsch, mein Junge. Und herzlich willkommen im Klub der Freidenker.«
    »Ja, aber was, wenn wir einfach ins Leere stürzen?«
    »Beruhige dich, mein lieber Junge. Wer immer diesen Aufzug gebaut hat, er wird schon dafür gesorgt haben, dass er irgendwo ankommt. Es ergäbe doch sonst überhaupt keinen Sinn.«
    In diesem Moment ging ein Rütteln durch den Fahrstuhl. Der Boden vibrierte, als wolle der Berg über ihnen zusammenbrechen. Die vorbeisausenden Felswände verloren an Geschwindigkeit. Kein Zweifel: Sie bremsten ab. Das Ende ihrer Reise rückte näher.
    Alle schwiegen. Eliza, Charlotte und Oskar tauschten bange Blicke. Humboldt und Lilienkron blickten ratlos auf die Felswand. Sie wurden immer langsamer. Vermutlich waren es nur noch wenige Meter bis zu ihrem Ziel.
    Plötzlich öffnete sich für einen kurzen Moment ein Durchbruch. Ein Spalt im Gestein, durch den man einen Blick auf die Welt jenseits des Aufzugs werfen konnte. Es war nur ein winziger Augenblick, doch er genügte, um sie vor Staunen erstarren zu lassen. Noch einmal öffnete sich ein Durchbruch, diesmal länger. Mit weit geöffneten Augen starrten die fünf Abenteurer auf das bizarre Land zu ihren Füßen. Ein glühend heißer Wind schlug ihnen ins Gesicht. Oskar war starr vor Verwunderung. »Sagtest du nicht, es gäbe keine Hohlwelt, Vater?«
    Humboldt schwieg. In seinem von einem roten Licht beschienenen Gesicht malte sich grenzenloses Erstaunen.

 
31
     
     
    Die Welt unter ihren Füßen war wüst und leer. Schwarze Berge, braune Hügel und gelbe Wüsten, ausgebreitet unter dem Licht einer rot glühenden Sonne. Eine urzeitliche, wilde Szenerie mit kochenden Seen, giftigen Dämpfen und wabernden Nebeln. Eine Landschaft, die dem Begriff Hölle näher kam als alles, was Oskar jemals gehört oder gesehen hatte. Sogar die Gemälde eines Hieronymus Bosch, dessen Werke in einem Bildband in der Bibliothek seines Vaters zusammengefasst waren und die er

Weitere Kostenlose Bücher