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Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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er. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trug er Eliza hinüber zum Haus.

23
    Drei Tage später: Montag, 21.   Juni 1895 …
    H umboldt saß in der verdunkelten Bibliothek, den Arm in einer Schlinge, eine Tasse Tee vor sich auf dem Tisch. Die Vorhänge waren zugezogen. Es roch, als wäre hier seit Tagen nicht gelüftet worden.
    Â»Vater?«
    Â»Komm rein, mein Junge.«
    Oskar betrat das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Seine Augen benötigten eine Weile, um sich an die schlechten Sichtverhältnisse zu gewöhnen. Am liebsten wäre er ans Fenster gegangen, hätte die dunklen Vorhänge beiseitegezogen und den wundervollen Junimorgen hereingelassen, aber sein Vater bevorzugte die Dunkelheit. Oskar war froh, dass Humboldt ihn zu sich gerufen hatte. Seit Elizas Tod hatte er ihn kaum noch zu Gesicht bekommen.
    Â»Setz dich.« Der Forscher deutete auf einen Stuhl.
    Oskar schluckte den Klumpen in seinem Hals herunter und hockte sich ihm gegenüber, gerade so weit entfernt, dass man sich mit den Händen berühren konnte. Er hatte ein Gefühl in der Magengrube, als hätte ihm jemand die Faust hineingerammt. Der Stuhl war hart und unbequem und das Leder knarrte bei jeder Gewichtsveränderung. Das Ticken der Standuhr war noch lauter als sonst. Es dauerte eine gefühlte Unendlichkeit, bis sein Vater endlich zu sprechen begann.
    Â»Es gibt etwas, über das wir reden müssen«, sagte er mit leiser Stimme, verstummte dann aber wieder.
    Â»Ja?«, fragte Oskar.
    Humboldt räusperte sich. »Es dürfte dir nicht entgangen sein, dass ich mich in den letzten Tagen etwas zurückgezogen habe.«
    Etwas zurückgezogen war leicht untertrieben, fand Oskar. Völlig von der Bildfläche verschwunden traf es eher. Er sagte es natürlich nicht, schließlich wollte er seinen Vater nicht verletzen.
    Â»Ich habe Zeit zum Nachdenken gebraucht. Die Ereignisse haben mich sehr mitgenommen.«
    Â»Ist schon in Ordnung«, sagte Oskar. »Wir vermissen sie auch sehr.«
    Humboldt lächelte. »Doch jetzt stehen wichtige Entscheidungen an.«
    Â»Entscheidungen?«
    Der Forscher nickte. »Die Beerdigung ist übermorgen um elf Uhr. Ich möchte dich und die anderen bitten, nachzusehen, ob ihr entsprechende Kleidung im Schrank habt. Schuhe, Hemden, Hosen, Jacketts. Zur Not müssen wir noch etwas einkaufen gehen. Die Beerdigung wird drüben auf dem Friedhof Wedding stattfinden. Im Anschluss habe ich noch einen Tisch in der Alten Post reserviert.« Er seufzte. »Viele werden nicht kommen. Eliza und ich hatten keinen großen Freundeskreis. Wir waren lieber für uns und haben es vermieden, allzu oft in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Direktor Sprengler wird kommen und natürlich Julius Pfefferkorn. Dann noch ein paar Freunde und Bekannte, die euch unbekannt sein werden. Harry Boswell, Max Pepper und die Rimbaults konnte ich leider nicht erreichen. Insgesamt etwa dreißig Personen.«
    Â»Mach dir keine Sorgen. Ich werde mit meinen Freunden reden und mich darum kümmern, dass alle richtig angezogen sind.«
    Â»Gut. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
    Wieder versank der Forscher für einen Moment in Schweigen. Es schien so, als koste ihn das Sprechen viel Kraft.
    Â»Ich glaube, wenn ihr nicht wärt, hätte ich das Haus sofort verschlossen und wäre weggezogen. Irgendwohin, an einen weit entfernten Ort auf der Welt. Aber vielleicht steht uns diese Entscheidung trotzdem noch bevor.« Er seufzte und blickte zu Boden.
    Â»Wie meinst du das?« Oskar blickte seinen Vater betroffen an.
    Â»Es hat etwas mit dem zu tun, was ich in jener Nacht gesehen habe. Der Nacht, als du mich beobachtet hast.«
    Oskar spitzte die Ohren. Vielleicht würde er jetzt endlich erfahren, was sich damals zugetragen hatte, doch Humboldt schien seine Gedanken zu erraten.
    Â»Ich habe nicht vergessen, dass ich dir deswegen noch eine Erklärung schulde. Aber nicht jetzt. Gedulde dich noch, du wirst es bald erfahren. Jetzt müssen wir uns erst mal um die naheliegenden Dinge kümmern. Ich schulde Eliza ein anständiges Begräbnis, dann werde ich ihren Mörder finden.« Er faltete die Hände in seinem Schoß. »Sie hat ihr Leben gegeben, um meines zu retten. Eine Schuld, die ich niemals zurückzahlen kann. Sie tat es, ohne etwas dafür zu verlangen. Vermutlich ahnte sie all die Jahre über, dass sie

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