Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
heiÃer Luft fegte ihn von den FüÃen. Der Knall war so ohrenbetäubend, dass er ihm die Luft aus den Lungen presste und ihn neben seinen Vater zu Boden schleuderte. Humboldt stand immer noch. Er schien finster entschlossen, den Attentäter zur Strecke zu bringen. Noch einmal feuerte er in den Wald. Diesmal war Oskar vorbereitet. Er schlug die Arme über den Kopf und drückte sein Gesicht in den Dreck.
Kabumm!
Ãste, Zweige und Rinde stoben in den Himmel, die Bäume wurden in Flammen gehüllt. Die Luft war geschwängert vom Geruch nach Rauch und Chemikalien. Ein Feuerball stieg auf, fuhr rauschend und knisternd durch das Laub und verflüchtigte sich in die oberen Wipfelregionen. Vögel flogen auf und flohen mit schrillen Angstschreien. Dann wurde alles in dunklen Rauch gehüllt. Der Regen löschte die Flammen und erstickte die Glut. Was blieb, waren Rauch, Trümmer â und atemlose Stille.
Sie warteten eine Weile, doch nichts regte sich. Der Feind war entweder tot oder er hatte das Weite gesucht.
Humboldt wandte sich um und humpelte hinüber zu Eliza.
Jetzt kamen auch die anderen aus dem Haus. Charlotte, Lena, Maus, Willi und Bert. Wilma rannte quer über den Platz und traf als Erste bei ihrer Freundin ein.
Eliza war zwar bei Bewusstsein, aber es ging ihr schlecht. Man brauchte kein Arzt zu sein, um das zu erkennen. Das gelbe Kleid mit den grünen Stickereien war mit Blut getränkt. Trotz ihrer dunklen Haut wirkte sie bleich. Ihre Augen hatten einen ungesunden Glanz.
Humboldt packte Berts Arm. »Schnell, reite in die Stadt und besorg uns einen Arzt. Reite am besten direkt in die Charité und wende dich an Doktor Braunstein von der Chirurgie. Er soll alles stehen und liegen lassen und herkommen. Ich werde versuchen, sie so lange zu stabilisieren. Meinst du, du schaffst das?«
Bert nickte. Er war von allen der beste Reiter. Wenn er wollte, konnte er schneller sein als der Wind.
»Klar«, sagte er.
»Es kommt auf jede Minute an, beeil dich.«
»Nein«, flüsterte Eliza und hob ihren Arm. »Komm näher.«
Humboldt blickte unschlüssig zu Bert, dann kniete er sich neben sie auf den Boden. »Halt durch, Eliza. Ich schicke nach Hilfe.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist ⦠in Ordnung.«
»Nichts ist in Ordnung. Du bist â¦Â«
»Sschsch.« Sie legte ihm ihren Finger auf den Mund. »Es geht mir gut. Wenn du einen Arzt rufen willst, dann nicht wegen mir.« Sie tastete über seinen Arm, hinauf zur Schulter. »Du wurdest getroffen.«
Humboldt würdigte seine Verwundung nur eines kurzen Blickes. »Streifschuss«, sagte er. »Nichts, was ich nicht selbst behandeln könnte. Deine Verletzung allerdings â¦Â«
Oskar konnte die Tränen in seinen Augen sehen.
»Das muss sofort behandelt werden. Ich bin kein Chirurg.«
»Du bist weit mehr als das«, sagte sie. »Du bist mein Freund, mein Gefährte, mein Mann ⦠und ich liebe dich. Ich habe dir gesagt, dass ich dich verlassen muss.«
»Aber doch nicht so.«
»Was spielt das für eine Rolle? Es ist nicht wichtig, wie lange man lebt. Wichtig ist ⦠wie man die Zeit nutzt, die einem gegeben ist. Meine Zeit ist zu Ende ⦠und sie war wunderschön.«
Humboldt presste die Lippen zusammen.
Sie strich ihm durch das nasse Haar. »Weine nicht. Wir sind zusammen ⦠das ist die Hauptsache.« Sie zog ihn zu sich heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Oskar konnte nicht verstehen, was es war, aber es musste einen tiefen Eindruck hinterlassen haben, denn Humboldt wurde ruhiger. Auf seinem Gesicht erschien ein ernster und nachdenklicher Ausdruck. Seine Augen waren auf den Boden gerichtet.
Lange Zeit saà er so da.
Selbst als Elizas Hand schon lange schlaff zur Seite gesunken war, hielt er sie immer noch in seinen Armen. Charlotte und die anderen hatten sich rundherum auf den aufgeweichten Boden gesetzt. Die Zeit schien stillzustehen. Der Wind strich über das Haus und fegte die Regenwolken beiseite. Ein einzelner Sonnenstrahl fiel durch die Wolken und verirrte sich bis auf die Erde. Die Kälte verflog und noch immer saÃen sie beisammen.
Oskar stand mit hängenden Schultern an der Seite seines Vaters. »Soll Bert immer noch den Arzt holen?«
Humboldt bettete Elizas Kopf auf dem Boden und schloss ihre Augen. Dann stand er auf und hob seine Gefährtin vom Boden auf. »Nein«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher